august-september 2003

Markus Grüner
geschaut

Auf der Suche nach dem unverstellten Moment

Der neue künstlerische Direktor der Elisabethbühne, Robert Pienz, über die Perspektiven alsTheatermacher

kunstfehler: Wenn ein Theater seine Leitung wechselt, werden häufig Personen von außen genommen, um neue Impulse zu setzen. Robert Pienz hat die letzten sieben Jahre in der Elisabethbühne gearbeitet und in den 80ern hier die Schauspielschule besucht. Kann man unter diesen Voraussetzungen Veränderungen erwarten?

Pienz: Es ist die Politik, die gerne neue Köpfe von außen bringt, und die Politik trifft am Theater viel zu viele Entscheidungen. Der Wechsel in der Elisabethbühne war ein selbstgesteuerter autonomer Prozess. Dieser Akt der Selbstbestimmung des Kollektivs hier im Haus ist zum jetzigen Zeitpunkt die richtige Entscheidung. Durch die Erfahrungen der letzten Jahre wissen alle Beteiligten, woran sie bei mir sind, die Erwartungen sind realistisch, und es besteht bereits ein gegenseitiges Vertrauen.

kf: Die Elisabethbühne verkauft mehr Karten denn je. Was darf man da noch anders machen?

Pienz: Die Tatsache, dass wir in den letzten Jahren einen so großen Zulauf hatten, zeigt, dass wir gut gearbeitet haben und dass ein hoher Bedarf an Theater in Salzburg vorhanden ist. Aber die Existenzberechtigung des Theaters darf nicht über die Nachfrage definiert werden. Die öffentliche Hand führt die kulturelle Debatte vorwiegend über Zahlen, aber das ist eine kommerzielle Debatte.

kf: Aber dieser Debatte kann man sich nicht entziehen, schon gar nicht als Kulturinstitution in Salzburg.

Pienz: Die einzig wichtige Debatte ist „Theater oder nicht Theater?“. Das betrifft auch die Stückauswahl. Eine sperrige Uraufführung passt genauso gut in die Elisabethbühne wie eine Operette. Wichtig ist nur der theatralische Akt. Künstler sind keine Marktstrategen, und wir wollen weder die Lieblingskinder des Bildungsbürgertums noch der Revolutionäre sein. Das Theater ist in erster Linie eine Spielanstalt.

kf: Für wen soll dann Theater gemacht werden? Für das künstlerische Ego derer die Theater machen?

Pienz: Kunst ist der Ort den eine Gesellschaft in ihrer Mitte errichtet, um Fundamentalkritik zu üben. Theater wirkt dabei wie ein Transformator und schafft in seiner Realisierung die Entwicklung von der Imagination zur Materialisierung. Dabei ist grundsätzlich alles Stein des Anstoßes. Es gibt kein besseres oder schlechteres Material, nur bessere oder schlechtere Bearbeitungen. Theater ist tot, wenn es starr und berechenbar wird. Festivals wie Mörbisch sind genauso tot wie ständig sich selbst reproduzierendes Experimentaltheater.

kf: Die letzten Jahre hat die Elisabethbühne meist großen Aufwand bei den Inszenierungen betrieben. Ist diese Art Theater für die Elisabethbühne sinnvoll?

Pienz: Mit dem Wechsel in der künstlerischen Leitung tritt auch eine neue Generation an, die ihre Fragen stellt und ihre Versuche anbietet. Mich interessiert die Reduktion der Opulenz. Heiner Müller hat gesagt: Theater ist ein Steinzeitmedium. Man benötigt eigentlich nur ganz wenig Mittel, um gutes Theater zu machen, entscheidend ist die richtige Auswahl des Wenigen.

kf: Was sind nun die konkreten Pläne für die Elisabethbühne?

Pienz: Erstens wollen wir eine neue Theaterreihe in unserem Säulenfoyer einrichten. Dort soll „Theater unplugged“ stattfinden, also kein Ausstattungstheater, sondern eine Möglichkeit für unsere Künstler, hier im Haus eigene Produktionen und Skizzen zu präsentieren.

Das kann auch ganz aktuell geschehen und beinahe den Charakter von Aktionstheater haben.

Zweitens wollen wir beweglich bleiben. Dieses Haus ist groß genug, um viele Menschen zu erreichen, aber auch klein genug, um greifbar zu bleiben. Mit dieser glücklichen Ausgangslage muss man bewusst umgehen.

Außerdem wollen wir den nationalen und internationalen Austausch forcieren. In der Vergangenheit hatte die Elisabethbühne starke Außenbeziehungen, die wir wieder aktivieren und ausbauen wollen.

Unser Haus darf kein Stadttheater werden, sondern soll offen bleiben, ein Theater auf Reisen.