august-september 2003

Doc Holliday

Rivalen der Rennbahn

Die Salzburger Trabrennbahn leidet unter Publikumsschwund, geringen Wetteinnahmen und den von Frank Stronach verursachten Kollateralschäden.

Rückblende: Noch vor 15 Jahren bot sich auf der Salzburger Trabrennbahn in Liefering folgendes Bild: An einem beliebigen Renntag, egal ob bei strömendem Regen oder im Hochsommer bei schwülen 30 Grad plus, drängten sich die Besucher auf der Tribüne, an der Bahn oder im Bierzelt. Es herrschte Kirtagsatmosphäre, das Publikum kam aus Bayern, Oberösterreich oder dem Salzburger Umland und aus unterschiedlichen Milieus: Naturverbundene Landbevölkerung traf auf einschlägig bekannte Halbwelt (die ansonsten andere „Pferdchen“ laufen lassen), Birkenstock-Glücksritter auf verarmten Adel, Familien mit pferdenarrischen Kindern auf Goa-Freaks. Für alle Unbeschlagenen: Die Traber sind die mit dem Wagerl hinten dran (im Fachjargon Sulky genannt) und einem Fahrer drauf, im Gegensatz zu den Galoppern, wo die leichtgewichtigen Jockeys oben auf dem Rücken der Pferde reiten. DAS Sprichwort auf der Trabrennbahn lautet: Galopp ist der größte Feind des Trabrennsports. Kein Wunder, störrische Viecher, die „einspringen“ und zu galoppieren beginnen, werden nämlich umgehend disqualifiziert.

Die Lieferinger Sandpiste präsentierte sich als ein Festplatz des Sozialen, der zu Gesellschaftsstudien und Alltagssoziologie einlud, einen aber jedenfalls durch seine prickelnde Atmosphäre in den Bann zog. Das muss man gehört haben, wenn spätestens vor der Zielkurve ein vielstimmiges Geraune auf der alten Holztribüne anhob. Dazu das gespannte Warten auf den korrekten Zieleinlauf, der bei engen Entscheidungen erst vom Platzsprecher bestätigt werden musste.

Die Fakten der beklagenswerten Gegenwart: Der Salzburger Traberzucht- und Rennverein richtet 2003 nur mehr sechs Renntage aus. Der jährliche Aufwand für die Rennbahn beträgt etwa 22.000 Euro. Die Stadt unterstützt den Verein mit läppischen 1500 Euro. Das Geld für längst fällige Sanierungen fehlt also. Das Hauptproblem liegt aber woanders: der Rennsport wird vornehmlich durch Wetten finanziert, und in ganz Kontinentaleuropa (außer Frankreich) verlieren die Pferdewetten an Attraktivität. Schließlich nehmen andere Sportwetten (vor allem Fußball) und in Österreich etwa Lotto und ähnliche Glücksspiele eine marktbeherrschende Stellung ein. Als Konsequenz schwinden die durch Wetten finanzierten Rennpreise, mit ihnen die Zahl der Pferdehalter und Pferde. Seit 1990 schrumpfte in Deutschland die Zahl der im Trabrennsport aktiven Pferdebesitzer von 6100 auf 3700. In Österreich gingen die Fohlengeburten im selben Zeitraum von 538 auf 319 zurück, die Zahl der Trabrennen von 1608 im Jahr 1996 auf 1190 im Jahr 2002. In Deutschland schlitterten im vergangenen Jahr bereits drei Rennbahnen in den Konkurs. In dieser misslichen Lage tritt jetzt auch noch strafverschärfend der reiche Onkel aus Kanada, Franz Strohsack (vulgo Frank Stronach), auf den Plan. Magna Entertainment (MEC) nennt sich die in der Hunde- und Pferderennsportbranche tätige Tochterfirma seines Autozulieferkonzerns Magna International. Die im Februar veröffentlichte MEC-Jahresbilanz für 2002 sieht nicht allzu gut aus: 14,4 Millionen Dollar Verlust, im Vergleich zu den 13,5 Millionen Gewinn von 2001. Die „Krake“ (Gerhard Roth im „Profil“ über den rastlosen Industriekapitän) ficht dies nicht an. Seine Pläne konzentrieren sich einmal mehr auf Ebreichsdorf. Nachdem die Kugel ausgerollt ist, baut Stronach dort einen Pferdesportpark. Der niederösterreichische Ort soll ab 2004 das europäische Zentrum für Wettgeschäfte werden, die Stronach zusammen mit den Casinos Austria oder den Lotterien betreiben möchte. Ob dies den europaweiten Niedergang der Pferdewettgeschäfte aufhalten wird, darf zumindest bezweifelt werden. Sicher raubt es den anderen Rennbahnen die letzten Chancen sich zu erholen. Die Lieferinger Bahn befindet sich seit 1965 in Betrieb, aber ob das 40-jährige Jubiläum noch gefeiert werden kann, scheint mehr als ungewiss. Josef Maier vom hiesigen Traberzucht- und Rennverein: „Es wird sehr schwierig werden zu überleben. Doch wir werden alles daransetzen, dem Wasserkopf Ebreichsdorf entgegenzusteuern“. Die Hoffnung stirbt zuletzt!