august-september 2003

Thomas Neuhold

Die Reihen dicht geschlossen, Kameranossen!

In der „rotbraunen Querfront“ marschieren Ultralinke und Rechtsextremisten Hand in Hand

Die globalisierungskritische Bewegung habe „eine offene Flanke nach rechts“. Was da Heribert Schiedel vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) den Leuten vom Austrian Social Forum (ASF) wenige Tage vor Konferenzbeginn Ende Juni via Rundmail ins Stammbuch schrieb, war starker Tobak: Schiedel wies darauf hin, dass die ASF-Organisatoren mit dem deutschen Journalisten Franz Alt jemanden eingeladen hatten, der regelmäßig in Nazi-Blättern publiziere – zuletzt in der „National Zeitung“ von DVU-Führer Gerhard Frey. Das ist mehr als ein kleines Hoppala.

Man mag der Rechtfertigung des für die Einladung direkt verantwortlichen Klaus Werner (Co-Autor „Schwarzbuch Markenfirmen“) gerne glauben, er habe von den Kontakten des Herren Alt nichts gewusst. Werners Reaktion auf Schiedels Vorwurf der „offenen Flanke nach rechts“ fiel jedenfalls deftig aus: „Grober Schwachsinn“, meinte Werner, und andere linke Granden am ASF taten die Warnung des DÖW überhaupt als „Paranoia“ ab.

Antisemitismus

Schwachsinn? Paranoia? Nicht unbedingt. Die Gemeinsamkeiten, ja die Zusammenarbeit von Ultralinken Gruppen mit Rechtsextremisten und Neonazis haben Methode und sind ein ernst zu nehmendes Faktum. Der Journalist Alt ist nur ein Beispiel für diese „rotbraune Querfront“. Nach Berichten deutscher Medien marschierten beispielsweise im ostdeutschen Jena NPD-Funktionäre und Anarchisten gemeinsam auf einer Demo. Deren Motto: „Solidarität mit Irak und Palästina“. Die NPD betreibt übrigens auch ein Antiglobalisierungswebsite.

Oder Wien: Hier treibe eine Gruppe namens „Antiimperialistische Koordination“ (Aik) ihr Unwesen, melden BRD-Gazetten. Diese Aik erkläre sich auch mit den Selbstmordterroristen der Hamas solidarisch, da man „grundsätzlich mit allen gegen die zionistische Besatzung kämpfenden Organisationen solidarisch“ sei. Übersetzt heißt das freilich nichts anderes als: Das Töten israelischer Zivilisten ist legitim. Juden dürfen getötet werden, weil sie Juden sind – egal was der Einzelne denkt, tut und in welcher Funktion er sich befindet. Das ist eliminatorischer Antisemitismus, wie wir ihn aus den dunkelsten Zeiten kennen.

Nazi-Strategie

Die Problematik der falschen Solidarisierungen ist freilich nicht immer so offensichtlich wie bei der Aik. Während des US-Überfalls auf den Irak war bei vielen Gefühlslinken aus Ablehnung des US-Imperialismus eine mehr oder weniger intensive Parteinahme für das Irakische Regime spürbar (bei vielen Parteigängern der FPÖ im übrigen auch). Das ist Solidarität mit Massenmördern und Kriminellen.

Neonaziorganisationen haben sich diese Tendenz zu unreflektierten Solidarisierungen längst zu Nutze gemacht. Sie progagieren seit Jahren – unter Berufung auf den Nazi Otto Strasser, der schon 1932 eine Revolutionsregierung mit der KPD anstrebte – die „rotbraune Querfront“. Linke Unruhe soll mittels antikapitalistischer Phrasen – gegen den US-Imperialismus, gegen den globalisierten Kapitalismus – nach rechts umgeleitet werden. Dazu kommt, dass man sich in der sozialen Frage tatsächlich oft scheinbar einig ist. Entscheidende Fragen, etwa nach den Eigentumsverhältnissen von Produktionsmitteln, werden freilich tunlichst ausgeklammert. In Folge machen sich in so manchem linken Internetforum und in so manchen Komitees Zug um Zug Rechtsradikale und Neonazis breit.

Vielleicht war Schiedls Warnung an das ASF in der Wortwahl etwas überzogen. Sie musste aber wohl so deutlich ausfallen, um zumindest die führenden Köpfe des bunten Haufens in Hallein etwas aus ihrer Volksfest-Glückseligkeit zu reißen. Sonst finden sich Teile der antiimperialistischen Bewegung wirklich unversehens im rechtsextremen Fahrwasser wieder.