august-september 2003

Georg Wimmer

Insel der ungewöhnlichen Allianzen

Das erste Österreichische Sozialforum in Hallein war ein Erfolg. Euphorie war aber nicht zu spüren.

Einen Monat danach bleiben die Resumees der Beteiligten seltsam unbestimmt. Vom „offenen Raum zur Artikulation“ ist da die Rede, vom „harmonischen Nebeneinander“, vom „Gedankenaustausch“ und von anderen Gemeinplätzen. Ähnlich die Antworten auf die Frage nach konkreten Ergebnissen. „Das ist schwer zu sagen, weil die Arbeit ja weitergeht. Auf verschiedenen Ebenen wie Arbeitsgruppen und Mailinglisten, gleichzeitig laufen schon die Vorbereitungen für das nächste europäische Sozialforum in Paris“, so Irene Zavarsky von der Österreichischen HochschülerInnenschaft.

Rubia Salgado von der Linzer MigrantInneninitiative MAIZ räumt ein, dass sie die Fülle der E-Mails, die seit dem ersten Austrian Social Forum (ASF) verschickt wurden, nicht mehr bewältigen konnte und irgendwann die Übersicht verloren hat. Der Reflexionsprozess, den sich die OrganisatorInnen des ASF verordnet haben, wird also noch dauern. Wobei allen klar war, dass auf der Perner Insel in Hallein keine Revolution ausgelöst werden würde. Ausbeutung, Hunger, Krieg und Diskriminierung werden uns erhalten bleiben. Die Welt wird weiterhin von PolitikerInnen regiert, denen ManagerInnen und Lobbyisten sagen, wo’s langgeht und nicht umgekehrt. Die Mehrheit der Menschen glaubt noch immer an die Lüge vom Freien Markt. Gewinne werden privatisiert und Verluste verstaatlicht. Der Neoliberalismus feiert fröhliche Urständ, und daran wird ein Sozialforum so schnell nichts ändern können.

Die Sozialforen haben aber Schwung in die Zivilgesellschaft gebracht. Seit 2001 in der brasilianischen Hafenstadt Porto Alegre erstmals ein Weltsozialforum stattfand – übrigens als Gegenveranstaltung zum World Economic Forum in Davos – hat die globalisierungskritische Bewegung eine adäquate Organisationsform für sich entdeckt. Ein „Forum für ungewöhnliche Allianzen“, wie die Monatszeitschrift Malmoe das Treffen von 1.500 AktivistInnen in Hallein beschrieb.

Spannend bleibt die Frage, ob der eingeschlagene Weg der radikalen Offenheit wirklich zielführend ist.

Irene Zavarsky von der ÖH räumt ein, dass die Diskussionen am ASF mitunter schwammig geblieben sind. Doch das liege in der Natur der Sache, „weil wir sonst Gefahr laufen, dass jemand ausgeschlossen wird“. Dieser betont tolerante Zugang wirft spätestens dann Fragen auf, wenn es um die Abgrenzung zum rechten politischen Rand geht. Der Auftritt des erzkonservativen deutschen TV-Moderators Franz Alt ist den OrganisatorInnen trotz Ankündigung diesmal erspart geblieben. In Zukunft, so Zavarsky, müsse aber überlegt werden, wie sich ein ASF vor derartigen Besuchern schützen kann.

Auch innerhalb des linken Spektrums war nicht jeder der mehr als 130 Workshops von Harmonie durchdrungen. Dies zeigte beispielhaft eine Veranstaltung, zu der die MigrantInennorganistion MAIZ aus Linz eingeladen hatte. Mit dabei österreichische GewerkschafterInnen, die nachher meinten, dass mit den MigrantInnen „kein Konsens“ zu erzielen war. Rubia Salgado von MAIZ verbuchte hingegen als Erfolg, dass es gelungen sei, den politischen Antirassismus innerhalb einer Teilöffentlichkeit erfolgreich zu thematisieren und neue strategische Allianzen zu schmieden. Die Gewerkschaft konnte nicht als Partnerorganisation gewonnen werden, um das Thema weiter am Köcheln zu halten – dafür aber die IG Kultur.

Umstritten bleibt die Rolle von politischen Parteien innerhalb der Sozialforen. Schon vor Hallein wurde diskutiert, welche Parteien als Teile der Zivilgesellschaft akzeptiert werden können. Solche, die nicht in der Regierung sitzen, wie die Grünen? Oder nur solche, die nicht im Parlament vertreten sind, wie die KPÖ? Die Regierungsparteien schlossen sich durch ihre Huldigung des Neoliberalismus von selbst aus, und die SPÖ zeigte kein Interesse. Grüne und KPÖ waren letztlich mit Infoständen vertreten, und auch den Organisationsprozess im Vorfeld hatten sie unterstützt. Entscheidend, so der Chemiegewerkschafter Peter Schiessler, sei für ihn, dass keine politische Partei in der ersten Reihe stehe.

Die nächste konkrete Frage, die die OrganisatorInnen des Austrian Social Forums beantworten müssen, ist die nach dem Tagungsort für 2004. Zur Diskussion steht neben Hallein auch Linz. Peter Schiessler kann sich aber ebenso jede andere österreichische Gemeinde vorstellen, die nach dem Vorbild von Porto Alegre der Bevölkerung eine Mitsprache bei der Verwendung von Steuergeldern einräumt. In Österreich erscheint eine so verstandene Mitbestimmung noch utopisch. Aber um solche Modelle anzudenken, war das Treffen auf der Perner Insel auch da. In Hallein, so eine Aktivistin, waren die Menschen vertreten, die ihre Ideale noch nicht aufgegeben haben.