august-september 2003

Didi Neidhart
grausame orte

CD-Abteilungen von Großmärkten

... geben sich in der Werbung ja gerne als Art musikalische Supermärkte aus. Nun tendiert aber die gemeine Vorstellung von Supermärkten ja in Richtung Grundversorgung plus Sonderangebote plus Spezialitäten. Blöde nur, dass sich in Salzburg die CD-Abteilungen in den Shopping Mals beim Lokalaugenschein eher als Mini-Märkte wenn nicht sogar als Nachttankstellen herausstellen. Willkommen in der Wüste des Realen! Dabei geht es gar nicht um ausgefallene Spezialitäten. Es würde schon reichen für Wiederveröffentlichungen von etwa Dean Martin, Bootsy Collins, Brian Eno oder Barry Manilow nicht extra nach Wien fahren zu müssen. Dort heißt es zwar auch „Geiz ist geil!“, aber die Auswahl richtet sich nicht ausschließlich nach der Losung „Wer in der Hitparade ist, kommt ins Regal und so wieder in die Hitparaden.“ Was aus dem Werbeversprechen „Geht nicht gibt’s nicht!“ auch meist schon gleich nach dem „Willkommen im freien Markt!“ ein kurz angebundenes „Geht nicht, gibt’s nicht!“ macht. An so was gewöhnt man sich zwar, aber wundert sich dennoch am Tag vor dem Geburtstag eines durchschnittlich musikinteressierten Elternteils dennoch immer wieder.

Viel eher ärgern da eklatante und absolut nicht nachvollziehbare Preisunterschiede, bei denen eine CD zwischen Wien und Salzburg schon mal bis zu 40 Prozent zulegen kann.

Aber auch die Abverkauf- und Ramsch-Abteilungen beherbergen nur noch ganz wenige echte Nuggets. Konnte hier vor Jahren im Zuge des Mainstreams der Minderheiten so manche Perle billigst herausgefischt werden, gibt es dort heutzutage fast nur noch die Billigsdorfer-Minderheiten des Mainstreams. Derart offensichtlich und transparent manifestiert sich der Warencharakter ja selten.

Was nicht immer schlecht sein muss.

Denn erstens meinte schon Glamrock-Hit-Lieferant Mickie Most in den 70ern dazu: „A pop song is something that takes fifteen minutes to make and two weeks to forget“ und zweitens sind preisgünstige CD-Sampler mit den essentiellen Frühwerken von Robert Johnson, Cab Calloway oder Duke Ellington (noch dazu in Originalaufnahmen) auch nicht ohne.

Was jedoch adornisch ärgert und einem horkheimern lässt ist die offensichtliche Analphabetendummigkeit mit der CDs in einer idiotenunsicheren Art wahlweise nach entweder Vorname, Nachname oder CD-Titel eingeordnet werden. Das ist nicht mehr so lustig wie einst bei Hans Platzgumers H.P. Zinker („Write us if you found this record filed under H or Z“), sondern kostet Kilometer und Nerven (die meisten CD-Abteilungen haben bei der Beschallung der Kundschaft ein absolut sicheres Händchen für Ibiza/Mallorca/ Teutonen-Techno).

Aber warum soll es ausgerechnet in diesen CD-Abteilungen anders zugehen als in der Welt da draußen. Wenn alle eine „Ich-AG“ sind, sich scheinbar auf Sport und/oder BWL-Festen gecastete „Fit For Fun“-Menschen voll echt als „KünstlerInnen“ verstehen und Musik hauptsächlich von Wirtschaftsprüfern verwaltet wird (und dementsprechend wie Dienstleistungen nach Vorschrift plus etwas kreativem Malen nach Zahlen klingt), dann können diese Wüsten des Realen auch als archäologisch-seismographische Forschungsstätten genutzt werden. Wo gibt es sonst (außer bei Open Airs und Stadionrock-Konzerten) etwa soviel zum Thema Musik für Leute, die Musik eigentlich nicht mögen, sie aber trotzdem kaufen.

Aber keine Angst. „Die Musik findet immer nach Haus“, wie FSK singen. Wozu gibt es denn das Internet! Ich bin doch nicht blöd!