september-oktober 1999

geschaut

geschaut

Vier Jahre Alcatraz für galeristisches Kleinstgewerbe

Die Essenz der Institution Galerie - nicht nur als einem Ort der Kunstpräsentation, sondern vor allem auch als eine Bühne gesellschaftlicher Ereignisse - wird nunmehr schon das vierte Jahr für fünf Wochen im Sommer zelebriert, jeweils Montags bis Freitags, um 16 Uhr. Der Galerist, Stephen Mathewson, spricht je nach Anlass oder Laune ein paar feierliche oder unterhaltsame, jedenfalls charmant-weltmännische Worte, beizeiten gibt er sogar Live-Musik zum Besten. Dem Amerikaner - seit geraumer Zeit schon während der warmen Jahreszeit als Organisator, Koordinator, Moderator und Hausmeister bei der Sommerakademie für Bildende Kunst tätig - hatte es das Gelände der Sommerakademie in der Alten Saline auf der Halleiner Pernerinsel im Allgemeinen, und ein kleiner Raum mit Tür samt Oberlicht zum Innenhof im Besonderen angetan: Er installierte in der zwei Quadratmeter großen, überproportional hohen Kammer die »Galerie im Alcatraz«. Zur Eröffnungsrede im Innenhof mit seiner romantisch-ramponierten Industriearchitektur gibt es immer auch ein Buffett - Wein aus Plas-tikbechern, Snacks oder was sich die jeweils Ausstellenden sonst noch einfallen lassen. Zum Ritual gehört der (fotografisch dokumentierte) Handshake des Galeristen mit dem/der Ausstellenden, sein Akt des Aufsperrens dieser Kunsthalle, das Schlangestehen vor deren Pforten: Die Kunstwelt lustvoll im Modell nachgespielt, mit kreativen Geistesblitzen für den Augenblick ausgestattet, für das einstündige Hier und Jetzt - ehe Professorenschaft, AssistentInnen und Studierende sich wieder an die Arbeit begeben. Und die gängigen hierarchischen Gravitationskräfte der Kunstwelt werden ebenfalls für kurze Zeit außer Kraft gesetzt; StudentInnen finden sich ebenso im Programm wie VertreterInnen der Kunstszene vor Ort oder Lehrende von internationalem Renommee. Nancy Spero wurde für das Guiness Buch der Rekorde vorgeschlagen, da die Schau der New Yorkerin in diesem Raum mit dem auffälligen Loch im Boden bereits die dritte Toilettenausstellung ihrer langen Kunstkarriere bedeutete. Als die Saline noch als solche in Betrieb war, befand sich hier das Klo des Chefs.

Stephen Mathewson wollte nach der ersten Saison eigentlich die Galerie absperren und den Schlüssel in die Salzach werfen; noch dazu wurde das alte »Alcatraz« - gemäß gängigen Denkmalpflegekonzepten - in seine ursprüngliche Gestalt einer Sanitäranlage rückgebaut. Die Galerie lebt dennoch jeden Sommer weiter, im Nebenraum, der die 8.257.300 ccm des ersten Alcatraz ein wenig übertrifft. (Der Prager Milan Knizak hatte das kreative Potential im Rahmen der ursprünglichen Galerie mit seiner Ausstellung »8.257.300 ccm Luftkunst« genauestens erörtert). Die ersten drei Jahre dieser kurzen Augenblicke, in denen die Kronenkorken knallen und das Kunstgeschehen als eine gar lebendige, lustvolle Angelegenheit aufblitzt, sind auch schon durch drei Kataloge im passenden Kleinformat (8,5 x 11 cm) dokumentiert.

Mario Jandrokovic

Lebenslügen hinter glänzender Fassade

Calderons »Das Leben ist ein Traum« im Volksgarten

Calderons Comedia erzählt die Geschichte Sigismunds. Der Königssohn wurde nach seiner Geburt aufgrund einer Vision seiner Mutter, die in ihm ein »Scheusal« zu erkennen schien, in einen Turm gesperrt. Die Mutter stirbt bei seiner Geburt. Im Turm wurde er zeit seines Lebens vom königstreuen Diener Clotald betreut. Der König will seine Thronfolge regeln. So besinnt er sich seines Sohnes und will ihm – einen Tag lang – die Regentschaft zur Probe überlassen. Bewährt er sich, wird er König, wenn nicht, muss Sigismund wieder zurück in den Turm.

Nicht wissend, ob er träumt oder wacht, wird der Königssohn von Clotald über seine – ihm bisher nicht bekannte Geschichte und Identität – aufgeklärt. Sigismund ist draufhin so verstört, dass er nach einer Hänselei durch einen Höfling diesen ermordet. Damit hat er sein Schicksal als »Scheusal« besiegelt. Und wird wieder in sein Verlies gebracht. Die Thronfolge fällt an seinen Verwandten Astolf, einen Fürsten aus Moskau, und Estrella.

Astolf will nun, obwohl er eine andere, Rosaura, liebt, Estrella heiraten, um in jedem Fall auf den Thron zu kommen. Doch Rosaura ist ihm, als Mann verkleidet, gefolgt. Aber das Volk hat mittlerweile vom weggesperrten Prinzen erfahren und befreit Sigismund. Das Schicksal nimmt seinen Lauf. Die vielschichtige Komödie um den weggesperrten Königssohn ist die Geschichte einer/s jeden von uns. Es ist die Geschichte der Lebenslügen, der großen und kleinen Verdrängungen von allem was uns unangenehm ist.

Ab 16. September präsentiert das Theater ecce Calderon de la Barcas »Das Leben ist ein Traum« in einem Zirkuszelt im Volksgarten.

Ursula Rotter