september-oktober 1999

Anton Gugg

Hallo Höchstkulturwundertier - bitte dringend melden

Die Intendantenfrage wird gewälzt - viel zu spät und grunddilettantisch

Sommertheater könnte ja recht unterhaltsam sein, würden die Darsteller echtes Talent und wirklichen Sinn für Dramaturgie besitzen. Im Falle der pünktlich zu Saisonbeginn eröffneten Tragikomödienspiele um die Nachfolge von Festspiel-Intendant Gerard Mortier stimmt das »Affentheater« - wie es der ebenfalls scheidende Festspiel-Finanzchef Hans Landesmann völlig unnobel, aber treffend nannte - eher traurig. Macht es Kulturmenschen doch mit aller Deutlichkeit klar, dass ihre Angelegenheiten allerhöchstens das fünfte Rad am Wagen politischen Handelns sind. Man mag zu den Salzburger Festspielen welches Verhältnis auch immer haben und sie sogar als überflüssig gewordenes Relikt aus Zeiten betrachten, in denen Festivals von Rang an einer Hand abzuzählen waren und nationale oder auch nur patriotische Selbstbestätigung durch Kunstübung der notwendige Teil eines umfassenden Identifikationsprozesses waren: Sind Legitimationen dieser Art auch verschwunden und vor allem durch kommerzielle Motive ersetzt worden, so sind doch die Festspiele immerhin noch ein Prestige-Unternehmen höchs-ten Ranges, das auch als solches behandelt werden soll. Allerdings signalisiert das erbärmliche Versagen des politischen Verantwortungsgefühles rund um Mortiers zugegebenermaßen schwierige Person etwas ganz anderes. Dass die Festspiele nämlich ein Spielball zwischen politischem Opportunimus und einer immer wieder staunenswerten Inkompetenz der »Königs- macher« geworden sind.

Allein die heftig wechselnde Heiß-Kalt-Dusche, unter die Mortier seit zehn Jahren gedrückt wird, zeugt nicht gerade von Sicherheiten des Ge-schmacks und Intellekts bei Salzburgs Obersten. Man hätte ganz genau wissen müssen, wen man sich da aus Brüssel einhandelt, welche Spuren dort die Erneuerung hinterlassen hat. Solange Mortier international Aufsehen erregte und die Kassen noch halbwegs stimmten, wurde der nie so recht geliebte belgische Intellektuelle politisch vollmundig gedeckt. Aber sobald die Stammschichten der Festspielbesucher abbröckelten, wurde regierungsspitzenmäßig zum Fußtritt ausgeholt. Kaum hat sich der neuerdings hochoffiziell grassierende Kleingeist mit dem Wunsch nach leichter Kost und Harmonie den Mund verbrannt, ist eiligst wieder der Mortier-Kurs gefragt, aber bitteschön ohne dessen Urheber - einen in jeder Hinsicht unabhängigen »Ausländer«, einen eloquenten, gescheiten, nie mit den hiesigen Kreisen verbandelten Weltbürger, der auf internationalem Parkett allerbeste Figur macht.

Salzburg hätte wissen müssen, wer und was nach Karajans Privatherrschaft kommen musste und es hat gewusst, wann der große Veränderer, der immerhin die Festspiele weltweit nach Jahren der Lähmung wieder ins Gespräch gebracht hat, verschwindet. Es hat rein nichts getan, um den nächs-ten Schritt in eine nicht gerade rosige Zukunft verantwortungsvoll vorzubereiten. Der kommende Intendant und sein Schatzmeister werden zuallererst mit der Tatsache konfrontiert werden, dass Leute mit dem Willen, an die zehntausend Schilling für ein Opern-Doppeltickett für eine modernistische Inszenierung auszugeben, in den Rang von Raritäten aufsteigen werden. Der Spagat zwischen Experiment und Kommerz wird schwieriger werden denn je zuvor, die Preise müssen sinken und die Qualität hat zu steigen, denn lange nicht alles, was Mortier anbietet, ist international konkurrenzfähig.

Das Anforderungsprofil des künftigen Festspiel-Lenkers ist geradezu unmenschlich komplex und hochgeschraubt. Dennoch tut man so, als hätte man alle Zeit der Welt, dieses HöchstkulturWundertier aufzustöbern, das sich noch dazu mit einer konservativen Präsidentin im Direktions-Käfig zu vertragen hat. Helga Rabl-Stadler wird gehalten werden müssen, denn niemand will sie für die echte Politik zurückhaben.

Der derzeitige Stand der Dinge ist dazu angetan, den Rest Österreichs und Europas zum Lachen zu bringen. Nach einer angeblichen Strukturreform, die das Kollegialitätsprinzip bei künstlerischen Entscheidungen als Krisenquelle beibehält und den Intendanten nach wie vor »bremst«, soll nun die vom Bund lange blockierte Findungskommission bis Jahresende den großen Zampano auftreiben.

Man darf gespannt sein, wer auf dem Tablett der Sucher stehen wird. Kapazitäten sind bekanntlich auf Jahre gebunden und »zweite sowie dritte Wahl« dürfte später niemand verantworten wollen. Wer sich jetzt, praktisch in letzter Minute finden lässt, müsste eigentlich ausgesondert werden.

Salzburgs Mächtige reden nicht wirklich mit dem Kapitän auf Österreichs teuerstem und wohl auch nobelstem Kulturdampfer. Sonst hätte man schon vor Jahren an entsprechende Weichenstellungen denken müssen. Was der Bund will, ist bekannt. Der nicht gerade bestinformierte Kunststaatssekretär will Mortier halten und dem Vernehmen nach soll auch der von der Stadt Salzburg bestellte Finder zu einer Zwischenlösung Mortier tendieren. Der Widerspenstige könnte sich schließlich doch überreden lassen, noch einmal den persönlichen Opfergang für Salzburg anzutreten. Na, dann gute Nacht im Festspielhaus und den ÖVP-Salzburgschützern eine warme Garderobe. Denn es könnte noch kälter werden im Tiefkühlschrank Hofstallgasse.