september-oktober 1999

Gabriele Gerbasitz
titel

Ring frei

Legislaturperiode over. Game over

Larmoyant sind wir, sagte die Wiener Stadtzeitung »Falter«, »gesättigte linke Kulturschickeria«, schrie die Krone, die Watschen kamen von links und rechts. Hatte sich doch gleich zu Beginn der abgelaufenen Legislaturperiode unser Blut erhitzt. Die Ausgliederung der zeitgenössischen Kunst und Kultur aus dem Ministerium und ihre Erklärung zur »Chefsache«, delegiert an einen »Provinzbürgermeister« mit Hang zur Spektakelkunst erschien uns Kindesweglegung und Kuratel gleichermaßen zu sein. So auch die Argumentation der Dachverbände und Interessenvertretungen: »der Kulturnation Österreich sei die Kultur kein eigenes Ressort mehr wert« und »einen Bundeskanzler, der sich für die autonome Szene und das Widerständige in Kunst und Kultur einsetzt, werden Chef Dichand und Sekretär Nimmerrichter nicht zulassen«. Anstatt Dialog mit den Kulturschaffenden und Reformen war zu erwarten, dass Kulturpolitik zum circensischen Politikersatz mutiert.

Zugegebenermaßen waren unsere inhaltlichen Überlegungen nicht die der PolitikerInnen, die sich formalen Erfordernissen beugten. Die Entscheidung, das Kunstministerium aufzulösen, war ein Ergebnis der zähen Koalitionsverhandlungen und die Kultur ist wohl die Türe, die immer noch am leichtesten einzutreten ist (siehe auch die neuesten Entwicklungen in Brüssel, wo die Generaldirektion 10 aufgelöst wird, und die Kultur in das Bildungsressort wechselt).

Unsere Panik vor »Brot und Spielen« war dann auch wirklich nicht unbegründet. Millionen von Subventionsgeldern für die Diashow der Familie Habsburg-Lothringen in Salzburg, für das EU-Präsidentschaftsevent in Wien (beides von unglaublicher Peinlichkeit) für das - dann glücklicherweise doch nicht zustandegekommene - Woodstoockrevival im Städtchen des ehemaligen Bürgermeisters und höchstwahrscheinlich noch viel mehr, von dem wir nur gerüchteweise gehört haben und es daher (leider) nicht publizieren können.

Die Szene wehrte sich so gut sie konnte. Elfriede Jelinek und Robert Menasse lieferten deftige Sager. Der Kunstchef geriet in den Geruch der Intellektuellenfeindlichkeit. Nun musste ge- handelt werden. Ein neuer Zeitvertreib für eine bisher unerreichbare Zielgruppe geschaffen werden. Der Jackpot: das Weißbuch. Das war wohl das spannendste Match der Saison. Nahezu jedeR hatte seine SpielerInnen im Rennen (die IG Kultur Österreich durfte leider erst in der Verlängerung ihren Zusatzspieler »Klimawechsel«1 aufs Feld schicken)2. Mit der Karotte vor der Nase waren wir ein Jahr lang beschäftigt. Das Ergebnis ist ein beachtenswerter Forderungskatalog, kleine Verbesserungen und große Würfe, eine Sammlung dessen, was die »Basis« schon lange wünscht (z. B. mittelfristige Fördervereinbarungen). Diesmal in Buchform und finanziert vom BKA. Legislaturperiode over. Game over.

Im Herbst werden die Regierungs-teams neu aufgestellt, und dann geht es darum, das Weißbuch kulturpolitisch umzusetzen. Die zentralen Forderungen für die Kulturinitiativen sind die Erhöhung des seit 4 Jahren stagnierenden Kulturbudgets und die Schaffung mittelfristiger Förderverträge.

1) »Klimawechsel - Für eine neue Politik kultureller Differenz«, Hg.: IG Kultur Österreich, 1999.

2) In der Arbeitsgruppe zum Weißbuch war keinE VertreterIn der autonomen Kulturinitiativenszene eingeladen. Der Forderungskatalog der IG Kultur Österreich »Klimawechsel« wurde von den Endredakteuren teilweise in das Weißbuch eingearbeitet.