september-oktober 1999

Ulrike Ramsauer
gelesen

Herbert Achternbusch: Karpfn

Bibliothek der Provinz/ Weitra 1999., 178,- öS

»Es muß doch etwas anderes geben als Wasser.« - »Nein. Die Welt besteht aus Wasser, auch die Sonne.« Zwei Karpfen im schlammigen Teich vor der Haus-tür Naomis, der dreijährigen Protagonistin des Buches, versuchen ihre Sinneswahrnehmungen zu hinterfragen und der Beschaffenheit der Welt auf den Grund zu gehen. Das fordert einigen Einsatz: Einer der beiden wird bei seinen Sprüngen die Welt der Schatten, der Täuschungen und Flüchtigkeiten verlassen, im Nichts landen und sich selbst nicht mehr kennen.

In der »Bibliothek der Provinz« hat der mittlerweile über sechzig-jährige Herbert Achternbusch nun ein Kinderbuch herausgegeben. »Karpfn«, ein Bilderbuch im Quartformat, in Aquarellen und Text vollständig von dem Maler und Autor gestaltet, erzählt hintergründig und liebevoll über Wahrheit und Wirklichkeit - und über Fiktion. Das eigensinnige Multi-Talent ist seit den siebziger Jahren mit seinen vielfältigen Arbeiten als ein stetig Produzierender wie selbstverständlich in der Literatur- und Kinolandschaft präsent und erscheint doch nicht wirklich greifbar. Sein jüngster Roman, »Der letzte Schliff«, 1997 bei Hanser erschienen, ist ein wucherndes Prosastück über Liebe und Verzweiflung und wie seine Filme und Theaterstücke - man erinnere sich an den Zensurfall »Das Gespenst« - frech, politisch und nicht leicht erträglich. Obwohl Achternbusch mehrfach für seine Arbeiten ausgezeichnet wurde (u. a. mit dem deutschen Bundesfilmpreis!), reagiert auch das aufgeschlossene Publikum immer wieder mit Ablehnung auf seine Produktionen. Achternbusch selbst, der sich seit einigen Jahren in die niederösterreichische Provinz zurückgezogen hat, legt keinen Wert auf leichte Konsumierbarkeit - wie er einmal in einem Interview formuliert hat - und das gilt für sein literarisches Schaffen ebenso wie für seine Regiearbeiten: »Ich möchte Filme, die niemand versteht. Früher hat man einen Bachlauf nicht verstanden, heute wird er begradigt, das versteht ein jeder.«

Die kleine Naomi jedenfalls, die Achternbuschs Tocher sein könnte, rettet dem Karpfen das Leben und der bedankt sich artig. Ihre Mutter ist Lehrerin und glaubt Naomis Erzählungen kein Wort. Der Vater ist Dichter und schweigt.