juni-juli 2003

gehört

Musik

Stevie Salas

Shapeshifter. The Fall And

Rise Of Stevie No Wonder

Surfdog/Sony, 2002

Was verbindet Jimi Hendrix, Johnny Cash, Tom Petty, Link Wray und Stevie Salas? Richtig: alle sind Gitarrereros UND indianischer Abstammung. Der Mescalero-Apache Salas gilt in der Branche als gefragter Session- und Gastmusiker. Engagements mit George Clinton und den P-Funk Allstars, mit Buddy Miles (mit dem ja Hendrix weiland in der Band Of Gypsys spielte), Was (not Was), den Tubes, Bill Lasswell und Rod Stewart – um nur einige zu nennen – zeigen Salas Bandbreite. Ansonsten umgibt ihn in unseren Breiten eher der Status eines Geheimtipps. Sträflich ignoriert wurde bislang auch diese CD. Nach dem Tod seiner Lebensgefährtin „flüchtete“ Salas für ein Jahr nach Afrika, um danach mitten in dieser Krise mit alten Bekannten (darunter Bernard Fowler, ehemals Mitglied der Ur-Rapper Sugarhill Gang, später von Tackhead und inzwischen bei den Rolling Stones!) sein aktuelles Album einzuspielen. Häuptling funky Riffmeister gelang ein überzeugendes, abwechslungsreiches Werk mit der Betonung seiner härteren Seite – und dennoch vielen Pop-Tupfern: „Dog Boy Blues“ (gleich in zwei Versionen zu hören) oder „Bring It On“ besitzen echte Hitqualitäten. Salas ist eben nicht nur der Hüter des Schweinerock-Grals (zuletzt einmal mehr belegt durch Auftritte mit Sammy Hagars Montrose!), sondern hat auch das Gefühl für eingängige Melodien.

Doc Holliday

Various Artists

Pop à Paris, Vol. 1 – 5

Universal 2003

The Atomic Café French Cuts 2

Panatomic/Indigo 2003

Es gibt bekanntlich ein ganz arges Vorurteil bezüglich des Verhältnisses von „France“ zu „Rock'n'Roll“. Kurz gefasst geht es dabei ganz unschmeichelhaft um das den „Frogs“ immer wieder unterstellte Unvermögen etwas anderes als „Röck’e’Röll“ zu fabrizieren. Was natürlich (trotz real existierendem, grauenhaftem „Röck’e’Röll“) ausgemachter anglo-amerikanisch fixierter Blödsinn ist. Nach der Veröffentlichung des Gesamtwerks von Serge Gainsbourg müsste das eigentlich klar sein. Mit der Samplerreihe „Pop à Paris“ lässt es sich jedoch endgültig belegen: Französische Popmusik (zumindest jene der Sechziger) muss sich weder vor Swinging London noch vor Flower Power San Francisco und auch nicht vor Velvet Underground New York verstecken. Ganz im Gegenteil! Denn die insgesamt 110 Songs (!) dokumentieren auch eine Popkultur, die eigentlich keine großen Unterschiede zwischen Kitsch und Avantgarde sowie E- und U-Musik macht. Klar kann man da einiges (nachträglich) zusammenkonstruieren. Aber ein spezifisches Koordinaten-System zwischen Philosophie (Sartre, de Sade, Lettristen/Situationisten), Nouvell Vague (vor allem Godard, aber auch Truffaut, Bresson, Rohmer, Rivette, Chabrol) Literatur/Kunst (Cocteau, Baudelaire, Rimbaud), Politik (Paris im Mai 1968) bis hin zu De Funès und Tati lässt sich schon erkennen. So zeugen nicht wenige Songs von einem extremen Intimverhältnis zwischen Surrealismus und Psychedelic-Beat. Dahinter steckt natürlich Pierre Henrys Musique Concrète-Synthesizer-Avant-Rock-Klassiker „Psyché Rock“ (hier von Les Yper-Sounds kongenial nachinterpretiert) der u.a. bei Messieurs Richard De Bordeaux Et Daniel Beretta („La Drogue“!!!), Les Fleurs De Pavot („Hippies nous voilà!“), Michel Polnareff („Beatnik“) und auch Serge Gainsbourg („Psychasténie“) heftige Spuren (massig Electronica, extrem verzerrte Fuzz-Gitarren, dazu indische Sitars und Tablas) hinterlassen hat. Dazu kommen schier unglaubliche Cover wie „These Boots Are Made For Walking“, „Hush“ (von Johnny Hallyday als „Mal“ vorgetragen oder „Paint It Black“ (!) als „Marie douceur – Marie colère“ von Marrie Laforêt.

„French Cuts 2“, der Sampler zum gleichnamigen Club im Münchner Atomic Café ergänzt das Spektrum noch um einige unglaubliche Cover mehr („It’s Not Unusual“) und wühlt dabei 27 mal heftig zwischen sleazigen Brazil-Sounds und trashigem Psyché-Beat herum. Kurz: Musik ohne die es Bands wie Stereo Total, Die Stars, Die Goldenen Zitronen („Les Cactus“), Stereolab, Die Lassie Singers etc. wahrscheinlich gar nicht geben würde. Wie heißt es bei Elsa: „C’est bizarre“. Genau!

Didi Neidhart

Lauschtipp:

Cafe Bizarre – Sonic Adventures mit Didi Neidhart,

jeden Sonntag, 18.00 – 19.00 auf der Frequenz der Radiofabrik (107,7 MHz)