Das Amalgam
Kunst und Gewalt – wie das Bundeskanzleramt die Verbindung von Kunst und Wirtschaft forciert
Am Beginn steht Begriffsverwirrung: Kunst gegen Gewalt, von VP-Staatssekretär Franz Morak initiiert, 2001 mit Sondermitteln in der Höhe von sechs Millionen Schilling aus dem Budget für Film und neue Medien der Kunstsektion plus Sponsorengeldern flugs finanziell ausgestattet und Anfang 2002 vom Stapel gelassen, versteht sich selbst im konstituierenden Pressetext mal als „Initiative“, mal als „Projektreihe“, mal als „Kampagne“.
Geldempfänger ist der Verein Art & Vison, dessen Obmann Christoph Brewka, Vorstandsmitglied der Deutschen Bank in Österreich, bei deren Hauptniederlassung in Wien auch gleich passenderweise das Vereinsbüro eingerichtet wurde.
Das inhaltliche Gerüst der ganzen Sache, die Homepage listet bis dato 75 disparate Veranstaltungstermine, beruht auf der Morakschen Erkenntnis, dass Gewalt ,
„[...] in all ihren Erscheinungsformen Ursachen [hat], die [...] sich in Machtstrukturen, Ideologien und Herrschaftskonzepten manifestieren“. Also eine interessante Anerkennung auch struktureller Gewalt, die aber im selben Atemzug dadurch nivelliert wird, dass Morak die Ursachen lediglich in „Wahrnehmungsdifferenzen zwischen einzelnen Menschen, Gruppen oder Nationen“ ortet. Um diese „Wahrnehmungsdifferenzen“ zu thematisieren, treten vereint „Kreative“ aus Kunst und Werbung auf den Plan und bauen vorwiegend den utopischen Raum, denn „Kunst ist kein Platz, der mit rechts oder links zulänglich beschrieben werden kann, sondern ein Ort, wo man sagt, ich baue zur Welt eine Gegenwelt.“ (Franz Morak im Vorwort zum Kunstbericht 2001)
Die Welt wäre auch ein wenig heiler, und „Welt“ und „Gegenwelt“ ein sich wiederfindendes Geschwisterpaar, wenn wenigstens diesem naiven Konzept als Initialzündung und Motivation der Initiative / Projektreihe / Kampagne Glauben geschenkt werden könnte.
Vielmehr passiert aber ganz anderes. Innerhalb der Kunstsektion des Bundeskanzleramt wird eine Art Bundeskunstkuratorenschaft neuer Couleur installiert: Morak, der Wirtschaft + Kunst predigt, kann dieses Konzept nun mit der von ihm ins Leben gerufenen „Private Public Partnership“ vorexerzieren.
Die Grundlage des Unterfangens (Kunst und Wirtschaft können ja doch gut miteinander) ist also auch das eigentliche Ziel und die damit einhergehende, in der Projektdynamik erhöhte Sichtbarkeit der einzelnen PartnerInnen, seien das nun die Deutsche Bank, die Häuser der Bundestheaterholding oder der ORF.
Vor diesem Hintergrund findet sich dann ein überwiegend nicht selbst konzipiertes, sondern gefördertes und mit „Kunst gegen Gewalt“-Logo versehenes Sammelsurium an Veranstaltungen und Vereinnahmungen: Friedenslauf, Confetti-TV-Aktion, SOS-Mitmensch-Kunstauktion, Ostbahn-Kurti (unter der Schirmherrschaft von Eva Glawischnig), Timna Brauer, Kinderoper, die Ausstellung re:Leviathan im Quartier 21 des MQ Wien, „Kunst gegen Gewalt“-Fernsehspots von Rossacher und Doletzal.
„Ausgangspunkt der Initiative war es, eine künstlerische und intellektuelle Debatte über ein grundsätzliches gesellschaftspolitisches Problem anzuregen“, droht der Pressetext. Die Hoheit über Diskurse und Begriffsdefinitionen, wie in diesem Fall die Definition von Gewalt und auch der Funktion von Kunst, darf aber nicht bei der Kulturpolitik liegen und schon gar nicht mit wirtschaftlichen Interessen vermischt werden. Die Zweckentfremdung öffentlicher Fördergelder ist passiert. Es bleibt zu hoffen, dass – nach einem zunächst geplanten Initiativen-/Projektreihen-/Kampagnen-Ende im Februar 2003 – wenigstens der zweite Schlussvorhang-Termin Ende 2003 hält.
Dann wäre, zumindest was Diskurshegemonien betrifft, vorerst weniger Porzellan zerschlagen als befürchtet, denn vorerst geriet die Aneignung etwas ungelenk: Auf der dritten unter dem Motto „Creative Europe – New Partnerships“ laufenden Morakschen Kunst- und Kulturministerkonferenz berichtete Christoph Brewka im Oktober 2002 in Graz über einen im Rahmen von „Kunst gegen Gewalt“ ersonnenen Award für WerberInnen: „Im Sinne eines erweiterten Kulturbegriffs geht das Projekt „Kreativität gegen Gewalt“ davon aus, dass nicht nur Kunst im engeren Sinne sich dieses Themas wirkungsvoll annehmen soll, sondern auch die Werbung mit ihrem kreativen Potenzial einen Beitrag dazu leisten kann. Denn gerade Werbung schafft es jeden Tag, mit ihren speziellen Ausdrucksformen Menschen zu sensibilisieren.“ Das ist zuviel des Guten.