juni-juli 2003

Doc Holliday

Scheiße zu Geld machen

Über dubiose Luft- und Leasinggeschäfte

Die österreichischen (und deutschen) Stadtgemeinden haben kein Geld. Gut, neger sind wir (die „kleinen Leute“) selbst. Die Kommunen aber macht die akute Geldnot erfinderisch. Mit Lease- in-Lease-out-Geschäften (LiLo) gedenken die finanziell Angeschlagenen (darunter auch ÖBB und Post) kurzfristig ordentlich Reibach zu machen. Der neueste – in Wahrheit bereits ohne großes öffentliches Aufsehen einige Zeit praktizierte – Schrei heißt Cross-Border-Leasing. Ein Beispiel: Die Stadt Bochum (hier dürfen Sie auch Salzburg einsetzen) verleast ihr Kanalnetz für 99 Jahre an einen US-Investor, der – im Falle der Ruhrpottstadt – 500 Millionen Euro zahlt und einen eigenen Trust bildet. Der US-Investor kann das so erworbene Eigentum in seiner Bilanz steuerlich abschreiben (Die Republikaner setzten 1994 im Kongress die dafür nötige Deregulierung der Finanzvorschriften durch!). Von dem Steuervorteil zahlt der Investor dann der Stadt Bochum einen Teil zurück. Dieses Leckerli nennt man Barwertvorteil, und der beträgt in der Regel vier bis acht Prozent des Auftragsvolumens. Die Stadt least danach ihre Infrastruktur zurück, was nach US-Recht (bei einer Vertragslaufzeit von 50 Jahren und mehr) am Steuervorteil des Investors nichts ändert. Auch braucht sich der Investor nicht weiter um sein Eigentum zu kümmern, da dies die Gemeinden zu leisten haben. So steht es in den hochkomplexen Verträgen, die gern in Englisch abgefasste dicke Konvolute von tausend und mehr Seiten sind. Gewiefte Juristen, Beraterfirmen und die beteiligten Banken streichen dafür fürstliche Honorare ein.

Verleast wird fast alles: Straßen- und U-Bahnen (Wien), Kliniken, Müllverbrennungsanlagen, Wasserwerke, Kongresszentren, Messehallen, Briefsortierzentren (etwa in Wals), Fernwärmenetze, Frachtbahnhöfe. Mindestens 150 Objekte haben deutsche Kommunen bislang so ins Ausland „transferiert“.

Das größte Risiko dieser klassischen Scheingeschäfte (schließlich steckt der Investor kein Geld in die erworbenen Anlagen, und es wird eine doppelte Eigentümerschaft hergestellt) bergen die US-Steuergesetze und die Zuständigkeit der US-Gerichte im Streitfall. Deren Schadenersatzforderungen dürften die lukrierten „Gewinne“ der Gemeinden dann um ein Vielfaches übersteigen.