juni-juli 2003

Gerald Gröchenig

Orchestra musicians are notoriously problematic

Charles Kaye, langjähriger Manager und Berater von Sir Georg Solti, war am ICCM zu Gast

Irgendwann einmal war der freundliche Herr aus England kurz verunsichert: Immerhin sollte er zwei Tage lang zum Thema „Relationship between Marketing and Art“ mit den StudentInnen am Internationalen Zentrum für Kultur und Management ICCM arbeiten, und am Ende des ersten Tages war er mit seinen vorbereiteten Unterlagen bereits am Ende. Dass die Zeit letztendlich doch nicht reichte – eine angesetzte Fragerunde dauerte einen halben Tag, eingeplante Rollenspiele mussten überhaupt gestrichen werden – lag daran, dass die StudentInnen des ICCM die Gelegenheit nutzten, den unendlichen Erfahrungsreichtum dieses großen Impresarios für sich anzuzapfen.

An Erfahrungen hat Charles Kaye so einiges zu bieten: Ausgebildet in Cambridge landete er nach allen möglichen künstlerischen Hilfsarbeiten mit 22 Jahren bei der Londoner Künstleragentur Lies Askonas, einer aus Wien emigrierten Agentin, die Künstler wie Claudio Abbado, Zubin Metha, Birgit Nilsson oder Teresa Berganza unter Vertrag hatte. Dort lernte er die so genannte „Old School of Impresario“ kennen, der er bis heute den Vorzug gegenüber allen amerikanischen Ansätzen der Künstlervermittlung einräumt. Mit 27 Jahren avancierte er zum persönlichen Berater von Georg Solti, den er 20 Jahre bis zu dessen Tod im Jahr1997 exklusiv betreute. Wobei diese Tätigkeit so ziemlich alles umfasste, was nicht mit dem Familienleben Soltis in direktem Zusammenhang stand: Er organisierte Tourneen, verwaltete den Tagesablauf des Maestros, beriet ihn bei der Auswahl von Repertoire, Aufführungen oder Gastengagements. Sämtliche Pressetermine liefen über seinen Schreibtisch, und auch alle Verträge mit Plattenfirmen oder Opernhäusern wurden von ihm ausgehandelt. Dass Georg Solti zu den bestbezahlten Künstlern seiner Zeit gehörte, war somit auch sein Verdienst.

Alle diese Erfahrungen flossen in die Diskussionen der beiden Tage ein. Mit einem Zusatz: Der skurrile Humor des Herrn Kaye hätte auch einem John Cleese zur Ehre gereicht. So sprach man darüber, wie man Opernhäuser einem jugendliche Publikum zugänglich machen könnte („Opera is a totally mad thing for normal people“), die Aufgaben eines guten Dirigenten beim Umgang mit dem Orchester („Orchestra musicians are notoriously problematic“) oder Vermarktungsstrategien für Künstler („Artists are very often non-practical businessmen“). Man verglich Unterschiede in den Strategien amerikanischer oder europäischer Agenturen und reflektierte internationale Festivals anhand ihrer Internet-Auftritte. Entwicklungen am CD-Markt wurden thematisch genauso gestreift wie die Vertragsgestaltung bei den Aufnahmen zum Sound-Track von „Star Wars“. Und man sprach über Österreich, die Kulturhauptstadt Graz („Graz is not the top address on an artists shopping list“) oder die Salzburger Festspiele: Diese dienten als Ausgangspunkt zu einem Streitgespräch über den Umgang mit sowie die Einflussnahme und Präsenz von Sponsoren.

Am ICCM hinterließ Charles Kaye hoch zufriedene BesucherInnen. Kann man sich heutzutage ein Bildungsangebot zum Thema Kulturmanagement gelungener vorstellen? – Ein absoluter Meister seines Fachgebiets motiviert seine Zuhörer, Erlebnisse und Erfahrungen mit ihm zu reflektieren und dadurch ihr Gesichtsfeld zu erweitern. Und nebenbei erhält man noch eine Einführung in „British Humor“. Oder wie Charles Kaye zu einem Exkurs über behindertengerechte Konzerthäuser einleitete: „All people are disabled, most of them mentally.“