juni-juli 2003

Gerald Gröchenig

Die Kunst der Feindschaft

Das Festival der Regionen rückt das Austragen von Feindschaften in den Blickpunkt des Interesses

Feindschaften ohne Mord und Totschlag

Zirka zwei Jahre vor Beginn suchen sich die Festivalbetreiber das Motto für die nächste Veranstaltungsreihe. Kaum einer aus dem Team hätte da gedacht, dass man sich mit „Die Kunst der Feindschaft“ in Nachkriegszeiten seinem Publikum stellt. Doch wie schon oft in der Geschichte dieses oberösterreichischen Kulturprojekts hat man auch diesmal sensibel die brennenden Fragen der Zukunft vorausgeahnt (wie 1993 mit dem Thema „Das Fremde“ oder 1995 mit „Heiße Heimat“).

Die Projekte kreisen heuer um Feindschaften. Eine internationale Jury hat aus den Einreichungen der Kulturschaffenden ausgewählt.

Einige Grundgedanken ziehen sich durch die 20 Festivalprojekte:

• Feindschaft wird als gleichermaßen destruktiver wie auch produktiver Motor des Geschehens gesehen. Ihr Potential kann zerstörerisch sein, aber gleichzeitig auch erfinderisch machen.

• Wenn ein Leben ohne Feindschaft im Großen wie im Kleinen nicht möglich scheint, so stellt sich die Frage, wie es sich damit am besten leben lässt, wie sich Feindschaften kultivieren lassen.

• Die Konstruktion von Feindbildern, von Streit, Kampf und Hass in Kultur und Gesellschaft wird beleuchtet, aber auch die Strategien zu ihrer Überwindung.

Der „Kunst der Feindschaft“ findet dabei auf verschiedene Art und Weise statt: Die Kunst der genauen Beobachtung und Analyse von Feindschaften stehen das kunstvoll verfeinerte Austragen, aber auch destruktiv-nihilistische künstlerische Extrempositionen gegenüber.

Eine Auswahl der Projekte

• Bei der Eröffnung am 27. Juni im alten Kohlenbrecher in Kohlgrube bei Wolfsegg werden sich die einzelnen Projekte vorstellen, György Dalos wie auch Attwenger werden mit von der Partie sein.

• Von Wolfsegg bricht daraufhin eine Kamelkarawane zu einer mehrtägigen Reise Richtung Linz auf. Am Abend lagert man entlang der Bundesstraße und lädt zum Essen, Verweilen und Diskutieren zu Themen wie neue Weltordnung, ungerechte Güterverteilung oder Vertreibung und Migration ein.

• Peter Androsch hat Flüche und Beschimpfungen zu einer rhythmisierten Litanei vertont, ein musikalisches Überfallskommando aus vier Sängerinnen wird diese in Einkaufszentren, Kinos oder Fußgängerzonen auf die ahnungslosen Anwesenden loslassen.

• Unter dem Motto „Wider den Schnurrbart“ kämpfen Vertreter einer Hygienebewegung in öffentlichen Veranstaltungen bei Freibier gegen das Tragen von Oberlippenbärten.

• „Koran trifft Bibel“ nennt das Kunstreferat der Diözese Linz seinen Beitrag, der christliche und islamische Gemeinden zusammenbringt.

• Die Gruppe „4fff – vier Frauen fahren fort“ bieten einen Ausflug zum Feindbild im Ortsbild an und geht damit Widerständen gegen zeitgemäßes Bauen nach.

• Bei der Toninstallation „Interventionen“ geht’s ums Ausrichten, um das verbale Schlechtmachen von Dritten hinter deren Rücken.

• Fritz Ostermayer und Thomas Edlinger, ansonsten „Im Sumpf“ von FM4 zu Hause, führen mit „Fuck You“ die Artikulationsvielfalt eines konsequenten künstlerischen „Nein“ vor Augen und Ohren.

• Hoffmannsthals „Elektra“, in der die Entstehung von Feindschaften in psychologischer Tiefenschärfe vorgeführt wird, tourt als szenische Lesung auf eine LKW-Anhänger durch die Lande

• Daneben gibt’s nocht die „VolxTheaterKarawane“, Projekte um Kriegerdenkmäler (Versteinerte Feindschaften), Vortragsreihen, Filmreihen, und auch Karl May, der am Ende seines sehr guten Vortrags über den Islam vor den Trümmern seines von Irrsinn geprägten Weltbildes steht.

• Leider konnte Werner Puntigam sein Projekt „Aug in Aug“ nicht wie geplant realisieren: Oberösterreichs Fußballschiedsrichter wären gefordert gewesen, unflätige Spieler wie Zuseher für eine Fotoausstellung auf Film zu bannen. Letztendlich bekamen die Schiedsrichter Fracksausen.

Kunst und Existenzberechtigung

„Das Festival der Regionen wird auch heuer wieder zu Diskussionen führen. Kunst, über die nicht mehr diskutiert wird, verliert ihre Existenzberechtigung. Oder es handelt sich um Denkmalpflege.“ Wer so spricht, heißt Josef Pühringer, gehört der ÖVP an und ist seines Amtes Landeshauptmann von Oberösterreich. Man möchte gerne all die Moraks, Schausbergers, Van der Staas und wie sie alle sonst noch heißen, ein paar Tage mit diesem Mann in einen Raum sperren.

Das Land zahlt über eine halbe Million Euro, und Pühringer verspricht das Geld auch für die Zukunft, vorausgesetzt, das Festival sorgt auch weiterhin für Auseinandersetzungen. „Offenheit, Toleranz und Freiheit der Kunst werden im Lande sehr hoch gehalten.“ Durch diese Grundhaltung kann Oberösterreich bundesweit und auch im Ausland reüssieren. Manche Länder ahmen nach (Niederösterreich), woanders dient es als Vorbild für eigene Planungen.

Vor Jahren soll laut Pühringer auch einmal ein Kärntner Landeshauptmann nachgefragt haben, wie dieses „Festival der Regionen“ organisiert sei. Die Antwort dürfte den guten Herrn wohl intellektuell überfordert haben: Statt künstlerischen Auseinandersetzungen gibt’s „Falco“ oder „Grease“ auf einer Seebühne.