april-mai 2003

Paul Raspotnig

Nexus

Kein Fahrwerk japanischer Herkunft ist gemeint, sondern ein lautverwandtes Kraftwerk heimischer Kulturproduktion

Das Kulturhaus „Nexus“ in Saalfelden ist auf dem besten Weg, sich nachhaltig in die Speicherzellen der Kulturinteressierten in Stadt und Land Salzburg zu brennen. Mehr als 16.000 Besucher in den ersten fünf Monaten und die Auszeichnung seines Betreibers – das „Zentrum zeitgenössischer Musik“ (ZZM) – mit dem „Landespreis für Kulturinitiativen 2002“ sind ein Beweis dafür. Nicht nur jahrelange Bemühungen der Betreiber, ein kulturell geballtes Zentrum im Gebirge zu schaffen, auch die architektonische Formgebung ist eine herausragende Leistung in der baukünstlerisch eher „flachen“ Landschaft Innergebirg.

Nach mehreren Standort- und Entwurfsalternativen stellten die Architekten Hartl und Heugenhauser (Atelier 3) das neue Kulturzentrum an einen strategisch günstigen Platz zwischen Postbusparkplatz und einem Fastfood-Restaurant direkt an die Hauptdurchfahrtsstraße. Eine von den Architekten vorgeschlagene Neuordnung für den unmittelbaren Vorbereich wurde von der Stadtgemeinde allerdings nicht ausgeführt. Der allseits als mehrteiliger Baukörper erkennbare Solitär bietet gleich zwei Vorderseiten: die Längsseite mit dem vorgesetzten Glaskörper zum Postplatz hin sowie die Schmalseite mit der großen zweigeschoßigen Verglasung Richtung Ortszentrum.

Den Eingang – in einer Ausnehmung an der Schnittkante beider Fassaden – erreicht man über eine kleine Brücke „als Symbol für das Betreten einer anderen Welt, der Welt der Kunst“ (Atelier 3).

Die Grundform der Bauplastik bildet ein in Weiß gehaltener liegender Quader, in den leicht versetzt ein höherer schwarzer Block eingeschnitten ist, der sowohl im Außenbereich als auch im Gebäudeinneren mit dunklen Faserzementplatten verkleidet wurde. Die Verschneidung der beiden Baukörper ist dadurch von außen, von innen und durch die Einsicht in das Gebäude – wenn sich nicht gerade das Panorama des Steinernen Meeres darin widerspiegelt – erkennbar. Als Vermittler zwischen beiden Volumina, Innen und Außen, sowie Oben und Unten dient die mehrgeschoßige Erschließungshalle, welche als überdimensionale „Glasvitrine“ hervortritt und durch Lichtakzentuierung die Funktion einer lebendigen Auslage übernimmt. Überdeckt ist dieser Gebäudeteil und der Vorplatzbereich von einer abgesetzten Dachplatte, die auf Stützen ruht. Mehr Spannung hätte allerdings ein wirklich freigespieltes Flugdach ohne Stützenreihe erzeugt.

Der Struktur folgend sind auch die Nutzungen verteilt: Der Schwarze Block stößt tief in die Erde und beinhaltet zuunterst einen Ausstellungsraum mit fünfeinhalb Metern Raumhöhe („white box“); darüber den über 200 m2 großen, multifunktionalen Veranstaltungssaal („black box“) mit zehn Metern lichter Höhe. Umschlossen wird das Herzstück des Hauses im Untergeschoss von Haustechnikräumen, Depots, WC-Anlagen und Besuchergarderoben; im Erdgeschoß von der Hinterbühne und den Künstlergarderoben sowie dem Café neben dem Eingang. Im Obergeschoß befindet sich das Büro des ZZM (Veranstalter des Jazz-Festivals), ein vollständig verglaster Besprechungsraum und ein Seminarraum („Kafka-Saal“), der auch als Ausstellungsraum dient.

Die mehrgeschoßige Erschließungshalle mit dem Luftraum (im Untergeschoß als Glasdecke fortgesetzt) bietet Blickbeziehungen zwischen allen Ebenen.

Das dicht gepackte Raumprogramm von über 1.600 m2 Nutzfläche – von Arch. Hartl, auch Obmann des ZZM, auf die Bedürfnisse perfekt abgestimmt – scheint dem Ansturm der vielfältigsten Veranstaltungen trotzdem kaum mehr gewachsen.

Durch Eigenplanung und jahrelang erworbenes Know-how als Veranstalter konnten die Kosten für Bühnentechnik und Akustik bis zu drei Viertel unter den Anboten von Fachfirmen gehalten werden. Auch wenn der Quadratmeterpreis dem des sozialen Wohnbaus entspricht, weht in einigen Bereichen doch ein Hauch von Luxus: Das Café – an fünf Tagen die Woche ab 14 Uhr geöffnet – ist handwerklich perfekt ausgestattet: Wurzelholztheke, Leuchten, Dekoration nach afrikanischen Motiven.

Gerhard Eder, Leiter des „Nexus“, möchte neben Musik, bildender Kunst und Theater auch der Architektur in einer jährlichen Sommerakademie eine Plattform bieten; bisher wurden die Ergebnisse zweier Workshops mit der TU Innsbruck und der TU Graz der regionalen Öffentlichkeit präsentiert.

Man kann zeitgemäßer Architektur im Land nur dasselbe „Schicksal“ wünschen, das den Jazz (vormals „Negermusi“) ereilte: dass man in dieser engagierten Architektur mehr sehen wird als „einen zu groß geratenen Benzinkanister“ (Zitat Leserbrief).