april-mai 2003

Wolfgang Drechsler

Auf die schiefe Bahn kommen

Die bunte Welt des Minigolfs

Schlaghosen aus dem erst entsorgten Rot-Kreuz-Sackerl, Sonnenbrillen aus dem seit gut 20 Jahren leer stehenden Aral-Shop und nicht zu vergessen wirklich- schlechte Musik, all das beschert uns der schon länger anhaltende Retroschub. Warum also nicht die schönen Seiten wieder freilegen. Lust auf eine Partie Minigolf?

Mal ehrlich: Wer von uns hat nicht die mehr oder weniger traumatische Kindheitserfahrung einer gediegenen Familien-Minigolfpartie durchlebt. Absoluter Fixpunkt dabei das Ordern der notwendigen Ausrüstung samt grüner Punktezettel durch das zumeist gut gelaunte Familienoberhaupt, gefolgt vom archaisch anmutenden gemeinsamen Zug – junge Menschen halten dabei die Schläger grundsätzlich schwertmäßig bedrohlich in Augenhöhe – zur ersten Bahn.

putting greens & midget golf

Das respektlose Auftreten zahlreicher Freizeitakteure lässt jedoch keinen Rückschluss auf Minigolf als geschichtsloses Spiel zu. Ganz im Gegenteil: Im Windschatten des elitären Golfs, das bereits seit dem 15. Jahrhundert aktenkundig erwähnt wird, entwickelt sich vorerst das kleine Golf als eine Art Übungsmöglichkeit vor Ort. Löcher wurden in den herrschaftlichen Rasen gegraben, damit an den so genannten „putting greens“ das Putten geübt werden konnte. Die ersten Ansätze eines wirklichen Golfspiels auf Bahnen entwickelten sich in den USA und England erst in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts. Recht schnell avancierte das „midget golf“, mit seinen aus Linoleum belegten Bretterbahnen und mit zahlreichen Phantasiegebilden (Disney Figuren, Windmühlen …) ausgestatteten Hindernissen, zum populären Vergnügen einer breiten Masse.

Genormtes Bahnengolf

Rezession, Weltkrieg sowie die entbehrungsreiche Zeit danach ließen das Zwergen-Golf bald in Vergessenheit geraten. Als neuerlicher Impulsgeber erweist sich der Schweizer Paul Bongni, der nach zweijähriger Konstruktionsphase im Jahr 1956 seine Idee von einem genormten „Golfplatz für jedermann“ unter dem Namen „Minigolf“ patentrechtlich schützen lässt. Seine Anlage mit den genormten 18 Bahnen, die bei entsprechender Übung jeweils mit einem einzigen Schlag, dem As, bewältig werden können, bilden die Basis der heute in zahlreichen Ländern anerkannten Sportart Minigolf. Dem nicht genug, entwickelt kurz darauf der Hamburger Geschäftsmann Pless seine Kreation des „Miniaturgolfs“, wobei es sich dabei klassisch deutsch um eine transportable Anlage, bestehend aus um die Hälfte kleineren (Eternit-) Fertigteilen handelt. Dazu gesellt sich gegenwärtig noch die äußerst trendig gehaltene Filzgolfanlage, ein Umstand, dem die Aktiven unbewusst sehr postmodern begegnen.

Minigolfszene in Salzburg

Angesichts der wirklich abgewirtschafteten Anlagen im Volksgarten und am Gelände des Leopoldskroner Freibades, scheint die Existenz einer kleinen, aber regen Minigolfszene in Salzburg mehr als erstaunlich. So sind gegenwärtig 6 aktive Vereine im Salzburger Bahnengolf Sportverband zusammengeschlossen, erklärt der jugendliche Pressesprecher Raphael Maier. Er selbst ist zu diesem durchaus liebenswerten, exotischen Betätigungsfeld über seinen Vater gekommen. Heute spielt er mit der Mannschaft des MGC Bischofshofen in der höchsten heimischen Liga, und dies nicht ganz ohne Erfolg und Ehrgeiz. Spektakuläres rund ums Bahnengolf gibt es eigentlich nicht zu berichten. Einmal vom Virus befallen, sollte man zumindest zweimal die Woche den Schläger an der Wettkampfbahn in Liefering auspacken. Wichtig sei das Schlagtraining, bei dem die grundlegende Technik geübt wird, sowie der mentale Aspekt. Als Mehrwert lockt die Vertrautheit mit den verschiedenen Tücken der einzelnen Bahnen, was sich spätestens bei Bewerbspielen als entscheidender Heimvorteil erweisen kann. Tricks gibt es natürlich auch. So werden die unterschiedlichsten Spielbälle – manch Aktiver kann mehrere hundert sein eigen nennen – wahlweise eingekühlt, erhitzt oder gleich mit Puder präpariert. Doping mit Alkohol ist dagegen weniger gern gesehen, wobei Carsten Dollek im Deutschland Radio „leider sagen muss, dass er, ohne sich weit hinauslehnen zu wollen, selbst schon einiges miterlebt hat“.

Zurück zu den grauen Erinnerungen: Nahe dem Kassen-Häuschen umgeben von Waschbeton Blumenkübeln, liegt vor uns die letzte Bahn. Mein Bruder stochert nach weit mehr als sechs erfolglosen Versuchen nun regelwidrig mit dem Schläger im Beton herum. In den restlichen Augen spiegelt sich eine gewisse Sehnsucht nach sonntäglichem Sportnachmittag und Softeis.

Dennoch wird es nicht lange dauern, bis wir wieder auf die schiefe Bahn kommen.