april-mai 2003

Doc Holliday
grausame orte

Lehen erleben: „Na und“

„Das Wesen Österreichs ist nicht Zentrum, sondern Peripherie...“ (Joseph Roth)

Das Grätzel um die Kreuzung Ignaz-Harrer- und Rudolf-Biebl-Straße verströmt den Flair einer internationalen Vorstadt. Etwas Sarajewo und Belgrad, erheblich mehr Zagreb und ganz viel Istanbul. Genuin Einheimisches nicht zu vergessen. Nahversorger in ihren Imbissbuden stillen das Bedürfnis nach kulinarischen Schnellschüssen. „So what“, sagt der Engländer, beim Lehener heißt das: „Na und?“ Damit all die Restfetten-Desperados dieses Motto nicht vergessen, trägt ein Cafe-Pub in der Ignaz-Harrer-Straße den Wurschtigkeitsnamen. Abseits des Weltkulturerbe-Zentrums der Mozartstadt gelegen, ist das Lokal ein einziges Paradox: Es gehört sowohl zur Peripherie als auch zum Mittelpunkt – nämlich des großen Salzburger Spelunken-Bermudadreiecks zwischen „Las Vegas“ (Maxglan) und „Schmiedingerstüberl“ (Liefering).

Für einen weiteren Gegensatz sorgt der Wirt des „Na und“: Der stammt aus der Türkei, bedient aber nicht vorrangig seine Landsleute, sondern eher die einheimischen Tschecheranten. Gerade diese lokalen Jogginghosen-Trupps, die im „Na und“ den verbissenen Umtrunk pflegen, outen sich des Öfteren als Problemfälle. Als hart gesottene Patienten trotzen sie den vergorenen und gebrannten Säften, erreichen das Stadium der Selbstvergessenheit, stürzen in Anfällen von ungerechtfertigter Euphorie die Gläser von den Tischen und erforschen ganz generell andere Aggregatzustände.

Angesichts derart wenig vorteilhafter Auftritte trifft es sich gut, dass der Betreiber des „Na und“ ein ehemaliger Amateurboxer der Union Salzburg ist: Herr Deveci wie seine Landsleute hinter der Budel und die Kollegen im zum Pub gehörenden, benachbarten Kebabladen – nebenbei mit dem besten Döner von ganz Salzburg! – wissen durch ausgesuchte Höflichkeit zu gefallen. Wer die Wirtschaft aber lokalverbotsunbelastet betritt und sich dennoch dem humorlosen Hang zur Randale hingibt, dem hat der geübte Faustfechter neben handelsüblichem Gerstenschweiß auch noch Blut und Tränen anzubieten. Der Lehener Loser wende sich da besser an das schräg gegenüberliegende Wettcafé: Seine sauer verdiente (?) Gage zu verspielen wirkt auch als Spaßbremse, erfordert hinterher normalerweise aber keine schönheitschirurgischen Eingriffe.

Für ethnologische Feldstudien: Jeden Montag wegen verlängerter Happy Hour (von 10 Uhr bis zur Sperrstunde um 2 Uhr) alle flüssigen Erfrischungen um zwei Euro. Dienstags sämtliche Mischgetränke ebenfalls zwei Euro. Zum Wohlsein!