februar-märz 2003

gehört

Musik

Punk Is Not Dead -

Joe Strummer schon

Es liegt ein dunkler Schatten über dem Land des Blair-(Witch)-Projects. Nicht genug, dass der gelackte Premierminister mit dem sozialdemokratischen Parteibuch den effektiveren Neoliberalen gibt und er Britannien als 51. Bundesstaat der USA unbedingt in einen Krieg führen möchte, verstarb am 22. Dezember auch noch Joe Strummer. Der einstige Sänger und Gitarrist der Punk-Combo The Clash erlag mit 50 einem Herzinfarkt. Wenn die Sex Pistols die nihilistische Seite des 70er Jahre Punk-Rocks verkörperten, standen die Clash für politische Rebellion und linke Haltung: gegen Rassismus (als Unterstützer der „Rock Against Racism“-Konzerte – einer Art moderner Volksfront, die in England Hunderttausende mobilisierte), für die Rechte der Working Class. Musikalisch gehörten The Clash zu den Vorreitern einer Öffnung des „weißen“ Rock hin zu den „schwarzen“ Stilen: Soul, Hip Hop und Reggae. Der legendäre Lee „Scratch“ Perry produzierte eine ihrer Platten und gehörte ebenso wie Alt-Beatnik Allen Ginsberg oder Filmemacher Martin Scorsese zu den Bewunderern der Band, deren Liveauftritte bis Anfang der 80er in punkto Intensität von niemandem erreicht wurden.

Die wichtigsten Clash-Platten:

„The Clash“, „Give Em Enough Rope“, „London Calling“, „Sandinista“, „Combat Rock“ (alle: CBS) und Joe Strummer & The Mescaleros: „Rock Art & The X-Ray Style“ (Mercury) und „Global A-Go Go“ (Hellcat).

Eine dritte, beinahe noch zu Strummers Lebzeiten fertig gestellte LP soll im Mai erscheinen.

Doc Holliday

VARIOUS ARTISTS

Prototypes. Armaments And Armatures Against Electronic Music

Laton/Redaktionsbuero

www.laton.at

Anfang Oktober letzten Jahres fand im niederösterreichischen Heizkraftwerk Theiss das u.a. vom heimischen „digital Terrorist“ Franz Pomassl mitkonzipierte Electronic-Festival „Prototypes“ statt. Geladen waren Erfinder, Bastler und Konstrukteure selbstgemachter elektronischer Musik-Apparate und Musik-Maschinen (u. a. Tommi Grönlund & Petteri Nisunnen, Alva Noton, Fon, Pomassl, Pan Sonic, Terre Thaemlitz, Thilges3 sowie Alexei Borisov). Wobei die „exotische Herkunft“ der meisten Protagonisten/Acts (ehemalige Sowjetunion, Finnland, Grönland) kein Zufall war. Gibt doch das umfangreiche Booklet (mit Artikeln u. a. über den Maschinenkult in der Sowjetunion oder legendäre Instrumente wie den „Theremine“) zur CD auch ausführlich darüber Auskunft wie in diesen entlegenen bzw. vom „Westen“ (scheinbar) abgeschotteten Regionen schon seit beinahe immer mittels selbstgebasteltem Instrumentarium elektronische Musik „from beyond“ gemacht wurde. Aus dem auch immer gleichförmiger und vorhersehbarer werdenden Electronica-Bereich stechen die hier vorliegenden Tracks aber auch durch eine Art roher, dreckiger Maschinen-Direktheit hervor, die genormte (Laptop/Computer)Sounds gleich außen vor und daher hinter sich lassen. Kein „Höre mit Schmerzen“, dafür ein Höre mit allen Sinnen. Psychonautik in Höchstform!

Didi Neidhart

The Datsuns

The Datsuns

V 2, 2002

Der dumme „Rock Is Back“-Hype soll einen nicht weiter stören, liefert er doch immerhin Gratisstoff für allerlei Lachnummern: dass etwa zur letzten England-Tour des aus Cambridge (in Neuseeland) stammenden Quartetts The Datsuns gar ein Plattenfirmenboss aus den USA mit der Concorde eingeflogen wurde, zeigt einmal mehr die großkotzige Planlosigkeit der Musikindustrie – der Herr über die Verträge hätte die Band einige Wochen vorher als Support der White Stripes im eigenen Land erleben können. Nämlich als eine Arschtritt-HARD-ROCK-Combo, deren Sound die besten Momente der 70er Jahre wieder belebt. Ein Bastard aus AC/DC und MC 5 mit einer Prise Glam, der Solidität von Deep Purple und der Aggressivität der Stooges. Zeitloses Rifferama mit ebenso subtilen wie ewig gültigen Texten vom Kaliber des „Motherfucker From Hell“.

Doc Holliday

VARIOUS ARTISTS

Studio One Story

Soul Jazz/Hoanzl

Was soll man dazu noch sagen? Auf einer DVD (mit ca. vier Stunden Gesamtspielzeit), einer CD und einem ca. 100-seitigen Booklet wird die Geschichte des wohl wichtigsten Reggae-Labels von den Beteiligten (nach)erzählt. Zu Wort kommen dabei Legenden wie Coxsone Dodd, Horace Andy, Alton Ellis oder King Stitt (den man auch bei seinen abenteuerlichen und schier unglaublichen DJ-Performances sehen kann). Dazu gibt es rarestes Material, bei dem sogar ein Filmchen von Count Ossie und seinen Rastafari-Trommlern gefunden wurde. Die waren ja bekanntlich jene Rhythmusgruppe, die Studio-One-Chef Coxsone Dodd einst mit seinem Soundsytem zusammenschloss und so quasi Reggae erfand.

Essentielles Must-Have-Paket für alle Reggae-Fans!

Didi Neidhart

DIE GOLDENEN ZITRONEN

Aussage gegen Aussage

Buback Tonträger/Ixthuluh

18 Jahre Bandgeschichte von „Für immer Punk“ bis zu „ICE Berthold Brecht rmx“ auf 2 CDs die nachdrücklich belegen, dass die Goldies ganz im Sinne von Franz Kafka immer weniger „Spiegel der Gesellschaft“ als vielmehr eher eine „Uhr, die vorgeht“ wurden. Was natürlich durch grenzgeniale Rückgriffe in die große Agit-Prop/Pop/ Rock/Punk-Kiste geschah, dabei aber nie Retro wurde. Brechtscher Punkrock eben.

Didi Neidhart

Lauschtipp: Café Bizarre – Sonic Adventures mit Didi Neidhart, jeden Sonntag, von 18.00 – 19.00 auf der Frequenz der Radiofabrik (107,7 MHz).

Gehört gehört!