februar-märz 2003

Eberhard Siegl
geschaut

Kompakt, subjektiv und engagiert: »Kunstschauplatz Salzburg«

Ganz allein und ohne viel zusätzliche Quellen hat sich der Salzburger Kulturpublizist Anton Gugg etwas angetan, was in Österreich vorher noch keiner wagte – er fasste erstmals die Kulturgeschichte einer heimischen Hauptstadt von der Nachkriegszeit bis heute zusammen. Noch mutiger war es, die darin zusammengefassten Namen und Geschehnisse bewusst mit subjektiven, bewertenden Kommentaren zu versehen.

Wir alle wissen, was die “Salzburger Werkstätte” war, mit all den Aufsehen erregenden nationalen wie internationalen Erfolgen. Es ist uns auch klar, wie sehr Oskar Kokoschka die niedliche Salzburger Aquarellmalerszene förderte, und wir haben auch schon längst kapiert, warum es im Zentrum so viele historische Galerien gibt und die Moderne an den Stadtrand gedrängt wurde. – Sie haben keinen Schimmer? Ich schon, jetzt, nach der teilweisen Lektüre des Lexikons „Kunstschauplatz Salzburg“. Teilweise deswegen, weil es sehr lange dauern würde, die über 1000 verschiedenen Künstler und Ereignisse komplett durchzuarbeiten.

Die komplexe Übersicht befasst sich mit Kulturschaffenden aus den Bereichen Grafik, Malerei, Bildhauerei, Keramik, Fotografie und Video. Die Aufnahmebedingung in den Kreis der Erwähnten: Entweder eine biografische Verbindung, mehr als eine Ausstellung in Salzburg oder auch die Lehrtätigkeit, also die Arbeit am Mozarteum oder in der Sommerakademie beispielsweise. Die Liste der Namen wurde um eine Reihe wichtiger Ereignisse und Ausstellungen ergänzt. „Ich bemühte mich um Ausgrabungen zu jedem Gebiet, es ging mir nicht um die bloße Aneinanderreihung von Fakten. Wichtig war mir, die prägendsten Stationen der Geschichte spotartig darzustellen und etwas lesenswertes zu schreiben.“

Subjektive Kommentare als Lesestoff

Lesbar ist das Werk auch aus einem anderen Grund, denn das Lexikon wartet mit einer Besonderheit auf: Jedem Namen/Ereignis fügte der Autor einen subjektiv gefärbten Kommentar hinzu: „Ich habe zwei Wurzeln, ich bin Wissenschafter und Journalist, und wenn es schon in allen möglichen Bereichen Crossovers gibt, warum dann nicht auch in diesem Fall?“, so die Begründung. Wo andere in vielköpfigen Teams ein solches Werk erstellen, musste im konkreten Fall ein einziger Autor genügen. Dieser Solipsismus hat den positiven Nebeneffekt, dass die persönlichen Anmerkungen aus einer einzigen Quelle kommen, die sich auch dazu bekennt. – Ein sehr couragierter Schritt angesichts der manchmal etwas sensiblen Künstlerseelen. „Es gab Reaktionen, die mir mit Gerichtsverfahren drohten, weil die Kommentare geschäftsschädigend seien, einer wollte sogar das ganze Werk einstampfen lassen, weil ich den falschen Geburtsort angab.“

Starker Wandel, geizige Salzburger

Die Landeshauptstadt ist „heute wie jede andere Kulturstadt eine Schaltstation im internationalen Austausch der Trends, Namen und Projekte. Von einem bergendem Schutzraum für lokale Traditionen und Produzenten kann längst nicht mehr die Rede sein“, so der Autor. Zudem findet die Kunst kaum heimische Käufer, „obwohl die Kulturluxusmarke Salzburg enormes Privatkapital anzieht. Im bevorzugten Lebensraum der Millionäre und Milliardäre zählen kunstfanatische „Flohmarktshyänen“ aus dem Angestelltenmilieu bereits als Sammler von Rang“, so ein lapidarer Kommentar aus dem Buch. Doch abseits all des schnöden Mammons noch schnell die Auflösung zu den Fragen von oben, bevor der Platz ausgeht: Die Salzburger Werkstätte war ein Modellbetrieb, in dem vor allem Grafik hergestellt wurde, die in Italien, Süd- und Nordamerika größte Erfolge feierte. Oskar Kokoschka erachtete nach seinen “wilden Jahren” plötzlich die besinnliche Naturbetrachtung als besonders wichtig und propagierte das auch entsprechend in Salzburg und die Anhäufung der historischen Galerien im Stadtzentrum lässt sich auf den Auszug der Künstler der Moderne aus der Residenz im Jahr 1973 zurückführen.