februar-märz 2003

Norbert Mayr

Handlungsanweisung zur Verkürzung des Holzbauerwegs

„Nicht gleiche Fehler machen“ – Ein Proponentenkomitee gibt Tipps für den siebenten Umbau des „Kleinen Festspielhauses“ zu Mozarts 225. Todestag im Jahre 2016

Der Dirigent Nikolaus Harnoncourt kritisierte am 4. 1. 2003 in den „Salzburger Nachrichten“ die „unvorstellbare Langsamkeit“ bei den Umbauvorbereitungen vom „Kleinen Festspielhaus“ zum „Haus für Mozart“: „Es wird immer gesagt, jetzt muss alles schnell gehen. Ich finde, langsamer kann man etwas überhaupt nicht machen. Das ist ein Weltrekord an Langsamkeit." Rasch konstituierte sich das „Proponentenkomitee zur nachhaltigen Verkürzung des Holzbauerwegs“. Es ist tatsächlich unannehmbar, dass es ganze eineinhalb Jahre gedauert hat, bis endlich am 30. Oktober 2002 Wilhelm Holzbauer mit dem ihm von Beginn an zugedachten Umbau des „Kleinen Festspielhauses“ zum „Haus für Mozart“ beauftragt wurde.

1. Erkenntnis:

Die Architektur ist schuld

Architektonischer Anspruch hat sich als lästiges, unnützes Anhängsel und als unberechenbarer Störfaktor erwiesen. Landeshauptmann Franz Schausberger klärte die Öffentlichkeit am 19. 12. 2002 auf: „Die Salzburger Festspiele haben keinen Wettbewerb zur Suche nach einem Projekt für den Umbau des Kleinen Festspielhauses ausgeschrieben, sondern ein Verhandlungsverfahren gemäß Vergabegesetz zur Auswahl des bestgeeigneten Planungsteams.“ Schausberger wäre es „am liebsten […], wenn Wilhelm Holzbauer mit dem Umbau betraut würde“, hat er bereits am 26. 1. 2001 erklärt. Vier der fünf Architekten(-teams) scheinen aber damals die Salzburger Nachrichten nicht gelesen zu haben und brachten ihre ganze Kompetenz in die Planungen ein.

Die "Haus für Mozart – Kleines Festspielhaus Umbau- und Verwaltungs GmbH" und die Bewertungskommission als Beratungsgremium des Festspieldirektoriums versuchten ebenso, das bestgeeignete Projekt zu finden. Die Kommission reihte bei den zwei Bewertungen jeweils architektonisch bessere Konzepte vor Holzbauer.

Dieser sparte seine Energie für bestgeeignete juristische Schritte zum Kippen der Reihung und warb vom ursprünglich bestgeeigneten Planungsteam den Konkurrenten und ehemaligen Schüler François Valentiny ab. Der wortgewandte Charmeur leitet nun als Holzbauers Subunternehmer dessen bestgeeignete Propagandaabteilung. Da Valentiny allerdings Holzbauer kurz vor seinem Überlaufen einen „ignoranten, schlechten Architekten“ schimpfte (Standard 17. 4. 2002), outete er sich ebenso als Ignorant: Es ging bekanntlich nie um Architektur.

Architekturfreundliche Einsprengsel machten das Verfahren verfahren. Zwei in die neunköpfige Bewertungskommission verirrte Architekten kämpften hartnäckig für eine wettbewerbsähnliche Suche des besten Projekts. Ein Architekt beantragte bei der ersten Runde 2001 die Festlegung einer eigentlich nicht vorgesehenen Reihung. Auch dem Antrag des zweiten wurde gefolgt, zuerst mit den erstgereihten Architekten zu verhandeln, wodurch Parallelverhandlungen mit dem zweitgereihten Holzbauer verhindert wurden. Bei der zweiten Runde 2002 wurde der Antrag, zuerst mit dem Erstgereihten, vor Holzbauer liegenden Architekten zu verhandeln, abgeschmettert. Dass die Holzbauerianer eindrucksvoll dazulernten, zeigt die wackere Festspielpräsidentin und Vorsitzende der Bewertungskommission Helga Rabl-Stadler. Sie schlug nämlich vor, mit den „beiden Erstgereihten“ zu verhandeln, um „nicht gleiche Fehler zu machen“. Dass es nicht um Architektur geht, haben andere längst erkannt: Der Garagenbauer und Landesbaudirektor Alfred Denk beauftragte den Tiefbauer Wilhelm Spirk. Dieser ist nicht nur die örtlich bestgeeignete Bauaufsicht für Schausbergers Museum am Berg, sondern in seinem holzbauerfreundlichen Gutachten auch der bestgeeignete festspielhäusliche Sitzplatzabzähler. So wurde Holzbauer zum bestgeeigneten Planungsteam, das eine Tieferlegung des Niveaus anstrebt.

Holzbauer wird den schlauchförmigen Zuschauerraum nicht verbreitern, sodass Hör- und Sichtqualität keine entscheidende Verbesserung erfahren werden. Zudem fehlt eine gleichzeitige Inangriffnahme der wichtigen Sanierung der benachbarten Felsenreitschule und des städtischen Umfelds mit dem Max-Reinhardt-Platz. Diesem sechsten Umbau wird somit ein weiterer folgen. Das „Proponentenkomitee zur nachhaltigen Verkürzung des Holzbauerwegs“ denkt bereits jetzt an Mozarts 225. Todestag im Jahre 2016, dem optimalen Eröffnungsjahr für den siebenten, verflixten Umbau „Haus für Holzbauer II“.

2. Erkenntnis:

Der krumme Holzbauerweg muss begradigt werden

Wie kann für die Zukunft der bestechend krumme Holzbauerweg begradigt werden? Dies wäre nicht allein holzbauergerecht, sondern auch im öffentlichen Interesse, im Sinne der Nachhaltigkeit, der Schonung von Ressourcen, Steuergeldern, überforderter Politiker, FestspielleiterInnen und Verwalter. Nicht zuletzt könnten sich zur Eliminierung bestimmte – weil holzbauerungerechte – Architektenteams viel Zeit und Geld sparen. Die Auswahl der Mitglieder der Bewertungskommission muss sorgfältiger erfolgen, damit architektonische Störaktionen ausgeschlossen werden können. Anzustreben wäre, die Rollen in Sieger und Konkurrenzstaffage einvernehmlich und damit klar und effektiv zuzuweisen. Bei der Auswahl der Scheinkonkurrenten wird rigoros den EU-Vergaberichtlinien entsprochen, die Wettbewerb, Transparenz, Öffentlichkeit, Nichtdiskriminierung und die Objektivierung der Vergabe öffentlicher Aufträge gewährleisten.

Allfällige Kritiker, die durch architekturfreundliches Agieren wiederholt auffällig werden, sollten konsequenter als Verhinderer und Architekturfundamentalisten medial vernichtet werden. Ihre Bemühungen, das prestigeträchtige Bauvorhaben nicht zur internationalen Blamage auswachsen zu lassen, negieren nämlich das eherne Gesetz, dass jedes Land und jede Stadt das bekommen, was sie verdienen. Salzburg muss sich heute nicht mehr den Diktaten von Erzbischöfen unterordnen, die Jahrhunderte über den Tellerrand schauten. Nun – da Salzburg der fest spielende „Nabel der Welt“ ist – braucht es nicht in die Ferne schweifen, sondern veranstaltet heimische Bastelstunden. Ein verschwindendes Grüppchen von Kritikern mag dies als provinzielle Unbedarftheit anprangern, der Erfolg gibt den heimischen Bastlern indes recht.

Beispiel Kongresshaus: Mit seiner Eröffnung mutierte sogar dieser Murx zum Erfolg. Mit einer ordentlichen Einweihungsfeier wird dies auch bei anderen Großbauvorhaben gelingen. Am 8. März 2003 wird der Stadion-vor-Schloss-Kleßheim-Opener DJ Ötzi Vollgas geben: Mit der 330.000-Euro-Eröffnungsfeier wird vergessen sein, dass das gänzlich aus Steuermitteln errichtete Stadion unambitionierte Architektur an einem äußerst problematischen Standort ist, zu teuer und zu groß für die „Austria Salzburg“ und zu klein für die Europameisterschaft 2008. Merke: Das „Haus für Willi“ muss ebenso pompös eröffnet werden. Wenn mit der Eröffnungsfeier eine Eroberung der Seitenblicke gelingen könnte, dann wird die Halsstarre des Publikums sicherlich vergessen sein. Ansonsten gilt der bewährte Grundsatz von 2001/2002, bürgerlicher Rechts-Verkehr und Verkehrung des (Vergabeverfahrens)Rechts mit festspielhäuslicher und ländlicher „Amtsverschwiegenheit“. Die Ausschreibungsbedingungen haben solcherart zu sein, dass bereits zugesagte Versprechen auch eingehalten werden können. Daher sind genügend Gutachter bereitzuhalten, die den Holzbauerweg rasch und unbürokratisch ermöglichen, ohne in architektonische Sackgassen zu geraten.

3. Erkenntnis:

Präzise Bewerbungs- bzw. Auswahlkriterien führen rasch zur Findung des bestgeeigneten Holzbauerteams

I. Meisterschaft: Der Bestbieter (BB) muss auf dem Gebiet des (Um)bauens ein Meister sein, zumindest aber ein Bauer und den letzten Willen des Meisters kennen (Schwur am Totenbett erwünscht). Zu seinen eigenen Schülern muss er streng sein, damit sie zu eloquenten, subordinierenden Subunternehmern gedeihen.

II. Weisheit: Der BB muss beim geplanten Baubeginn 2013 mindestens 60 Jahre selbständige Büropraxis vorweisen können, davon den ersten Teil möglichst in einer Arbeitsgruppe.

III. Referenzen: Nur solche Referenzbauten des Bieters sind zulässig, die fast oder ganz Baden-Baden gegangen sind.

IV. Staatsräson: Der BB muss den Österreichischen Staatspreis nach dem Jahr 2000 und vor dem Jahr 2002 erhalten haben.

V. DIN A4: Der architektonische Anspruch darf die Vorstellungskraft der Entscheidungsträger bei den Festspielen und in der Politik keinesfalls übersteigen. Einem konkreten Projekt überhaupt vorzuziehen ist ein Blatt Papier DIN A4 mit leicht verständlichem Text, z.B. „Ich bin das bestgeeignete Planungsteam.“

4. Erkenntnis:

Entschädigung der Opfer eines verkürzten Holzbauerwegs

Jede Note zählt. – Die Opfer eines entkrümmten Holzbauerwegs, die Rechtsberater, sind zu entschädigen. Sie sind 2001/2002 im rechtlichen Dickicht lukrativ lustgewandelt und haben daher beim Umbau 2016 Anspruch auf entgangenen Gewinn.