februar-märz 2003

Didi Neidhart

Karaoke für Millionen

Punk endet im »starmania« (Alec Empire in SKUG 53 zum Thema »Pop Politics«)

Jetzt aber Schluss mit eh scho wissen. Denn auch bei der ORF-Popstarsuche „starmania“ geht es zuallererst um Disziplin, harte Arbeit, Fleiß, Kadergehorsam und Quote. Da ist zuviel Spaß ebenso wenig gerne gesehen wie ein zu wenig an „du selbst sein“. Und wer „zu sehr eine Rolle spielt“ (also null Authentizität, Individualität und Schrägness ins genormte Starschnittformat einbringt) hat auch gleich verloren.

Andererseits fliegt aber auch raus, wer „zu ehrgeizig“ ist. Dafür ist das so genannte „Friendship Ticket“ zuständig, mit dem eine/r der jeweils Letztplatzierten als Art „Lucky Loser“ wieder in die „starmania“-Familie geholt wird (als Korrektur-Joker bei Koalitionsverhandlungen derzeit ja wohl auch politisch durchzubringen). Also werden im Geiste von Knittelfeld die gesanglich eher nicht so begnadeten wieder heimgeholt. Das sorgt für mächtig Diskussion, erhöht aber die eigenen Chancen. Mittelmaß rules! Dazu echte Tränen („Unsere Ehre heißt Tränen“, wäre ein treffender Wahlspruch für die „starmania“-Voting-Entscheidungen), echte Umarmungen, echte Gefühle sowie echtes Mitleiden der „verlorenen/zurückgekehrten Tochter“ Arabella Kiesbauer. Kurz: Gefühlspornographie und Emotionsfaschismus in XXL-Ausführung.

Wie „starmania“ überhaupt primär als TV-Spektakel betrachtet werden sollte (und wohl auch so geplant war/ist). Immerhin fährt der ORF damit in der jugendlichen Zielgruppe die höchsten Marktanteile ever ein (teilweise über 65 Prozent!) und hat allein dadurch schon das Ziel, Jugendliche wieder vermehrt an den ORF zu binden, erreicht.

Für das Rohmaterial (die „Stars von Morgen“) kann das natürlich auch bedeuten, dass sie in Sachen Karriere nach/durch „starmania“ einfach zur Adoption freigegeben, ausgesetzt, oder (medial) abgetrieben werden. (Wurden zuerst noch großkotzig die Pop-Märkte „Deutschland, England, Japan, USA“ anvisiert, so hieß es wenig später kleinlaut „das benachbarte Ausland.“)

Daher geht es auch im „starmania“-Chatroom fast nie um Sangesleistungen (siehe auch die Differenz zwischen TV-Reichweite/Marktanteil und den Verkaufszahlen und Chartplatzierungen der „starmania“-CDs, was aber nicht weiter ins Gewicht fallen dürfte, steckt doch auch hier genau jene Firma dahinter, die u. a. auch die Wettsing-GewinnerInnen No Angels und Bro’Sis managt), sondern um Streitereien entlang eines Kriterienkatalogs zwischen „süß“, „urgeil“, „Ungustl“, „Zicke“ etc. Also um Kiddie-SMS/Chat-Room-Speak, der zeigt, dass der Grasser-Effekt (höchste Steuerbelastung ever, aber an die 70 Prozent Fans im ganzen Land) auch schon in den Kinder/Jugendzimmern seine Wirkungen zeigt. Wodurch „starmania“ auch eine Art Fortführung der hiesigen „Politik ohne Politik“, nur eben auf Pop angewandt, darstellt.

Was ja ganz klar ist. Denn wenn die Suchmaschine auf www.orf.at unter dem Begriff „Kultur“ oft tagelang nichts findet, dann ist „Pop ohne Pop“ (bei „starmania“ qua Musical/Song Contest-Gesang/Choregraphie und altertümlicher Fernsehballett-Ästhetik praktiziert) nur logisch. Soll heißen Pop ohne Exzess, ohne Geheimnis(e), ohne Mehrfachcodierungen. Dafür Pop als „Malen nach Zahlen“ mit Noten.

So gesehen ist Pop in Österreich schon in einer Art „dritten Republik“ angelangt. Und vielleicht ist das ja auch gut so. Denn die Implosion des Pop-Marktes durch massiges Mittelmaß ist ja schon im Gange.