oktober-november 2002

Thomas Randisek
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Unschärfen

Zur Gegenwart nationalsozialistischer Vergangenheit in Salzburg

Die offizielle Geschichtsschreibung der Stadt Salzburg ehrt ihn derart: „Prof. Heinrich Damisch, geb. 04. 12. 1872 in Wien, gest. 08. 06. 1961 in Salzburg; einer der Wegbereiter und neben Hofmannsthal, Max Reinhardt, Franz Schalk, Alfred Roller und Friedrich Gehmacher auch Mitbegründer der Salzburger Festspiele. Außerdem gründete Prof. Damisch 1913 die Mozartgemeinde Wien, der er bis Mai 1945 als Leiter vorstand. Die Stadt Salzburg verlieh Damisch im Jahr 1956 die Goldene Medaille der Mozartstadt Salzburg.“ (www.stadt-salzburg.at)

„Geschönte Biographie“ lautet das Urteil der Betreiber des Projektes »Unschärfen«. „Er ist aufrechter Nationalsozialist und kommt aus dem illegalen Kulturkampf“, so urteilten NS-Geheimagenten damals über ihren ehrenamtlichen Mitarbeiter Damisch. Oder „Damit zählte er zu den Ersten, die dem Nationalsozialismus auf österreichischem Boden Gehör verschafften.“

»www.unschaerfen.at« ist der Versuch, mit den Mitteln künstlerischer Intervention den fragwürdigen und unreflektierte Umgang mit nationalsozialistischen Werten in Form von Straßentafeln und Inschriften zu dokumentieren. Das Renner Institut hat das Projekt »Unschärfen« mit dem Landtagsabgeordneten David Brenner und einigen Kulturstätten realisiert, nach der Online-Variante folgt nun im Oktober eine Postkartenedition zu Salzburgs Vergangenheit, die nie vergeht. Zuletzt wurde 1988 im Zuge des Gedenkjahres der Versuch unternommen, einige von Salzburgs braunen Flecken umzubenennen. Freilich gelang dies nur fragmentarisch, die Stadt setzt vor allem bei den Straßenneubenennungen auf Personen aus dem antifaschistischen Kampf, Umbenennungen haben hohe Folgekosten. Was nach dieser typisch österreichischen Lösung an Zeichen der Nazidiktatur übrig blieb, dokumentiert nun »Unschärfen« – leider nur lückenhaft: Eine Erinnerung an die Bücherverbrennung auf dem Residenzplatz oder die Erinnerung an die beim Bau der Staatsbrücke eingesetzten Kriegsgefangenen etwa findet sich in den »Unschärfen« nicht.

Ironie am Rande: Die letzte Umbenennung erfolgte 1991 – der Sigmundsplatz wurde in Herbert von Karajan-Platz umbenannt. Der Maestro war der Nazi-Partei im Übereifer gleich doppelt beigetreten – NSDAP Mitgliedsnummern 1607525 sowie 3430914.