oktober-november 2002

Thomas Neuhold

Kleinere Nachbeben in Salzburg

Das Scheitern der blau-schwarzen Bundesregierung könnte auch auf Landesebene Auswirkungen haben.

„Es ist vorbei. Endlich!“ Das Aufatmen darüber, dass die „Koalition der Schande“ nach zweieinhalb Jahren ihr Leben ausgehaucht hatte, war unüberhörbar. Und auch wenn altgediente JournalistInnen immer wieder warnen, die Freiheitlichen allzu schnell abzuschreiben, so gilt für die Nationalratswahlen im November doch eines als sehr, sehr wahrscheinlich: Der FPÖ wird eine herbe Wahlniederlage ins Haus stehen. Die Formel lautet: „20 minus X“. Und Zweitens: Die Sozialdemokraten haben erstaunlich schnell wieder reale Chancen, erneut auf die Regierungsbank zu wechseln; wahrscheinlich mit der ÖVP, vielleicht sogar mit den Grünen – Prognosen sind schwierig.

Das Ende der blau-schwarzen Bundesregierung und die Dauerkrise der Freiheitlichen sind in erster Linie ein bundespolitisches Phänomen. Die Auswirkungen werden aber auch an der Salzach zu spüren sein, freilich zeitverzögert und im Vergleich zu anderen Bundesländern nur als kleinere Nachbeben. (Anders als etwa in Graz, wo sich die Freiheitlichen kurz vor den Gemeinderatswahlen im Jänner in Selbstauflösung befinden. Und auch anders als im benachbarten Oberösterreich, wo insbesondere im Innviertel der Frust über den Rauswurf von Susanne »Königskobra« Riess-Passer enorm ist.)

• Zuallererst wird es einmal die FPÖ in Salzburg selbst treffen. Schon heute ist die Schnell-Partie nur mehr ein Schatten ihrer selbst. Landespolitisch völlig abgemeldet, fristet sie ein bescheidenes Leben in den hinteren Reihen des Salzburger Landtages. Die Erosion der lokalen Parteistrukturen, ohne die auch eine FP nicht auskommt, hat schon lange vor dem aktuellen Crash auf Bundesebene eingesetzt – in Hallein oder in Wals-Siezenheim beispielsweise ist die FP so gut wie aufgelöst.

Das Regierungsdebakel verschärft den Auflösungsprozess: Auch in Salzburg stehen sich »liberalere« Kräfte rund um Helmut Haigermoser und die Putschisten von Knittelfeld – Eduard Mainoni, Doris Tatzl, Andreas Schöppl ... – unversöhnlich gegenüber. Karl Schnell hat sich bisher taktisch geschickt aus allem herausgehalten. Das könnte ihm freilich dann auf den Kopf fallen, wenn sich eine der beiden Fraktionen durchgesetzt hat. Wie in der gesamten Bundespartei kann aber davon ausgegangen werden, dass sich die Putschisten und Schmissträger von Knittelfeld letztlich aufs parteiinterne Siegerpodest schwingen werden.

• Für Salzburgs Landesschwarze wird es politisch ebenfalls enger. Dem Taktiker Franz Schausberger fehlt plötzlich ein Spielbein. Die wiederholt ins Spiel gebrachte Variante, nach den Landtagswahlen im März 2004 doch ein Regierungstänzchen mit Schnell & Co. zu wagen, erscheint aus heutiger Sicht nicht mehr sehr realistisch. Die FPÖ erweist sich landauf, landab als allzu unsichere Kantonistin, Teile der eigenen Partei würden Schausberger die Gefolgschaft verweigern.

Ein Koalition mit Schöppl & Co. kann und will sich eigentlich niemand vorstellen.

• Dass Salzburgs Sozialdemokraten – landespolitisch gedacht – den Absturz von blau-schwarz mit gemischten Gefühlen sehen, verwundert nur auf den ersten Blick. Das landespolitische Kalkül war einfach: Sollten Jörg Haider und Wolfgang Schüssel auf Bundesebene über das Jahr 2003 hinaus koalieren, würde dies bei den Landtagswahlen 2004 „automatisch“ zu einer Gegenbewegung führen. Gepaart mit den hohen Popularitätswerten von Landeshauptmannstellvertreterin Gabi Burgstaller könnte man so sogar die VP an der Landesspitze ablösen. Regieren die eigenen Genossen aber in Wien wieder mit – und das ist ab Jänner 2003 nicht ganz unwahrscheinlich – fehlt der Schwung eines zurückschlagenden Pendels.

Sorgen machen den Sozialdemokraten auch Personalfragen. Nicht einmal die GenossInnen aus Burgstallers Partei nehmen ihrer Chefin das Versprechen, nicht in ein Kabinett Gusenbauer einzutreten, sondern im Land zu bleiben, hundertprozentig ab. Ein adäquater Ersatz für Burgstaller wäre weit und breit nicht in Sicht.

Wenn dann auch noch Langzeitlandesrat und Chefstratege Othmar Raus sich in den Ruhestand zurückzieht, steht die Partei vor dem nächsten großen Umbau nach dem Abgang von Gerhard Buchleitner binnen weniger Jahre.

• Bleiben die Grünen. Sie können mit Gelassenheit agieren. Vorerst. Regionale Probleme brächte erst eine Regierungsbeteiligung in Wien und die dann sehr wahrscheinliche Nominierung von Stadtrat Johann Padutsch in ein Ministeramt mit sich. Wer dann dem erfahrenen Kommunalpolitiker folgen könnte, weiß niemand so recht. Auch wenn sich Bürgerlistenklubchef Helmut Hüttinger in demonstrativem Optimismus übt – „wir haben auch nach dem Wechsel von Johannes Voggenhuber NachfolgerInnen gefunden“ –, der Mangel an personellen Ressourcen ist unübersehbar.

Den Grünen in Stadt und Land ist trotz des unbestreitbaren politischen Erfolges die Basis der Initiativen weggebrochen.