oktober-november 2002

Georg Wimmer
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„Mehr Bauern, als wir organisieren können“

Im Kunstfehler-Interview spricht der Direktor einer Kakao-Genossenschaft über erwartete und unerwartete Effekte des Fairen Handels

Kf: Herr Ohemeng-Tinyase, wie haben Sie in Ghana eigentlich Kontakt zum Fairen Handel bekommen?

Ohemeng-Tinyase: Der Faire Handel ist durch eine britische NGO zu uns gekommen. Diese NGO namens »Twins« hat mit uns Kontakt aufgenommen, und sie hat uns geholfen, die Bauern zu organisieren und eine Genossenschaft aufzubauen. Eine der größten Herausforderung in den letzten sieben Jahren war, viele kleine funktionierende Gruppen zu bilden, die alle zusammen die Genossenschaft »Kuapa Kokoo« bilden.

Kf: Der Faire Handel garantiert den Bauern höhere Preise und dauerhafte Abnehmer. Da würde es nicht verwundern, wenn ihre Genossenschaft einen enormen Zulauf hätte.

Ohemeng-Tinyase: Da haben Sie recht. Der Mindestpreis, den uns die europäischen Partner für eine Tonne Kakao bezahlen, beträgt 1600 US-Dollar und ist damit doppelt so hoch wie der aktuelle Weltmarktpreis. Sollte der Weltmarktpreis wider Erwarten auf 1600 Dollar steigen, so würden unsere Partner noch einmal 150 Dollar dazuzahlen. Neben den höheren Einkommen gibt es für uns aber noch einen anderen wichtigen Vorteil: Weil der Faire Handel auf langfristige Beziehungen baut und über Jahre hinweg garantierte Mindestpreise zahlt, haben wir auch eine gewisse Planungssicherheit, was für Bauern in Ghana keine Selbstverständlichkeit ist. Und man darf nicht vergessen, dass so auch Geld für kommunale Projekte wie Schulen, Toiletten oder Wasserversorgung zur Verfügung steht.

Kf: Sie haben doch sicher auch Kontakt zu Kakao-Bauern, die nicht in ihrem Projekt sind. Wissen Sie, wie Ihr Projekt von anderen gesehen wird?

Ohemeng-Tinyase: Um ehrlich zu sein, in unserer Gegend gibt es viele Bauern, die nicht in unserem Projekt sind. Manche haben einfach nicht die Möglichkeit, denn solange wir keine Strukturen in den Dörfern aufgebaut haben, ist es schwierig, bei uns mitzumachen. Gleichzeitig haben wir sehr viele Anfragen. Für uns ergibt sich aber das Problem, eine passende Struktur und Organisation zu finden. Wir haben momentan rund 35.000 Mitglieder in 930 Dörfern. Deshalb versuchen wir jetzt eine zweite Genossenschaft zu gründen, um mehr Bauern Zugang zum fairen Handel zu verschaffen.

Kf: Heißt das, es gibt so etwas wie eine Obergrenze für die Größe einer Genossenschaft? Oder anders gefragt: Gibt es eine optimale Größe für eine Genossenschaft, die den Fairen Handel beliefert?

Ohemeng-Tinyase: Es ist nicht wirklich eine Obergrenze, sondern es geht um die Fähigkeit, sehr eng und unmittelbar mit den Bauern zusammenzuarbeiten, weil wir ja auch für eine gewisse Qualität sorgen müssen. Das ist aber wohl ein Problem jeder Organisation: Je größer sie wird, desto schwieriger ist es, sie zu managen.

Kf: Ihr Projekt hat nicht nur wirtschaftliche, sondern auch soziale Dimensionen. So gibt es zum Beispiel in der Genossenschaft eine Frauenbeauftragte. Kam auch in diesem Fall die Anregung aus England?

Ohemeng-Tinyase: Es ist wie mit den meisten Genossenschaften. Das Ziel ist, das Beste für die Leute herauszuholen, mit denen man arbeitet. Beim Kakao-Anbau arbeiten sowohl Männer als auch Frauen. Aufgrund unserer demokratischen Strukturen in der Genossenschaft haben wir beschlossen, dass mehr für die Gleichberechtigung getan werden soll. Wir haben also eine Frauenbeauftragte, die versucht, die Frauen stärker in den Handel einzubeziehen. Sie bekommen Ausbildung und auch kleinere Kredite, um sich ökonomisch unabhängiger zu machen. Gleichzeitig können sie auch andere Geschäfte beginnen, um nicht nur vom Kakao abhängig zu sein, etwa in der Zeit, wenn nicht gerade gepflanzt oder geerntet wird.

Kf: Derzeit macht der Anteil von fair gehandelten Waren nur ein Prozent des weltweiten Umsatzes aus, das ist letztlich doch ein verschwindend geringer Teil. Gibt es Zielvorstellungen, wie groß der Anteil des Fairen Handels in den nächsten Jahren werden könnte?

Ohemeng-Tinyase: Diese Zielvorstellungen gibt es vielleicht in den Köpfen von einigen Privatpersonen, aber mir ist davon nichts bekannt. Soviel ich von unseren Partnern in Europa weiß, ist eine der Schwierigkeiten, den Fairen Handel nicht nur auf 3.-Welt-Läden zu beschränken, sondern auch in Supermärkten solche Waren anzubieten. Was man so hört, werden auch schon recht gute Erfolge erzielt, vor allem in den Niederlanden und in der Schweiz gibt es angeblich keinen Supermarkt mehr, in dem man nicht fair gehandelte Güter kaufen kann.

Kf: Was passiert eigentlich mit dem Kakao, den Sie von den Bauern bekommen, wandern die Bohnen sozusagen direkt von den Bauern zu den Fair-Trade-Partnern in

Europa?

Ohemeng-Tinyase: Aufgrund der ghanaischen Handelsstruktur ist es nicht möglich, den Kakao direkt an unsere Partner im Fairen Handel zu liefern. Die Kakaobohnen werden zunächst über die staatliche »Cocoa Marketing Company« exportiert und in Koordination mit Organisationen des Fairen Handels von verschiedenen Unternehmen in Europa weiterverarbeitet.

Kf: Gerade in der Weiterverarbeitung von Rohstoffen werden üblicherweise große Gewinne erzielt. Müsste da nicht der nächste Schritt für Sie sein, die Weiterverarbeitung und Veredelung selber zu übernehmen?

Ohemeng-Tinyase: Die Weiterverarbeitung ist eine sehr kapitalintensive Angelegenheit, und unsere Genossenschaft hat derzeit gar nicht das Geld für die nötigen Investitionen. Andererseits würde in unserer Situation die Weiterverarbeitung auch wieder nicht so viel bringen. Mehr als der Kauf von großen Maschinen würde uns deshalb nützen, wenn gewisse Handelsbeschränkungen wegfallen würden, etwa auch Importzölle, die in europäischen Ländern gelten.

Kf: Herzlichen Dank für das Gespräch.