september 2002

Doc Holliday
zu gast

Alfred Gusenbauer

Ende Juli besuchte der SPÖ-Vorsitzende Alfred Gusenbauer für einige Tage die Mozartstadt. Am 29. folgte er einer Einladung des Dachverbandes Salzburger Kulturstätten in den ARGE-Gastgarten, um mit VertreterInnen der freien Kulturszene (einige Exponenten fehlten ob der mittsommerlichen Ferienzeit) und dem Salzburger Landeskulturrat Othmar Raus (SPÖ) über Kulturpolitik zu sprechen.

Gleich zu Beginn Grundsätzliches von Gusenbauer: Der derzeitige Trend hin zu den so genannten Creative Industries könne vom wirtschaftspolitischen Standpunkt aus befürwortet werden. Freilich gelte es eine große kulturpolitische Tradition in Österreich zu beachten. Kulturpolitik könne sich also nicht nur auf den freien Markt und Sponsorenkompatibilität verlassen, sondern sie müsse einen Beitrag zur Emanzipation und zur gesellschaftlichen Veränderung leisten. Nicht zur großen kulturpolitischen Tradition dürfte Gusenbauer den Sager seines Vorgängers Viktor Klima, dass „Kultur Chefsache ist“, rechnen. Der lapidare Kommentar des SPÖ-Vorsitzenden: „Was ist nicht Chefsache?“ An der Kultur – auch in ihren avancierten und kommerziell wenig nutzbringenden Ausprägungen – bestehe, so der SP-Chef, aber ein öffentliches Interesse, was zur Folge hat, dass die Politik die Bedingungen zu schaffen habe, um eine öffentliche Auseinandersetzung zu ermöglichen.

Kultur kann mitunter Avantgarde sein. Viele der Kulturarbeiter sind auch Vorreiter eines wenig positiven allgemeingesellschaftlichen Trends: indem sie in so genannten atypischen Beschäftigungsverhältnissen stehen (müssen) und somit nicht vollständig ins Sozialversicherungssystem integriert sind. Genau das will der SP-Chef ändern, nicht nur für die im Kulturbereich Tätigen: Die Integration der atypisch Beschäftigten (in Österreich ca. 500.000 Menschen) und die Stärkung der Frauenbeschäftigung identifizierte Gusenbauer als die zwei Kernprobleme, deren Lösungen dringend anstehen, da ansonsten die totale Spaltung der Gesellschaft drohe. Was tun? Der SP-Chef schlägt vor, dass bei einem Teil der atypisch Beschäftigten – nämlich dort wo ein „öffentliches Interesse“ bestehe, außer im Kultur- vor allem noch im Sozialbereich – der Staat den Arbeitgeberanteil übernehmen solle. Ein neuer und interessanter Vorschlag, der aber noch nicht ausgereift und völlig durchdacht scheint. Schließlich blieb der Kanzler in spe die Antwort auf einige Fragen schuldig: Welche Kosten hätte die öffentliche Hand bei einer Übernahme der „Atypischen“ ins ASVG zu tragen? Wie argumentiert die SPÖ diese Idee vor der Öffentlichkeit? Man sieht die Stammtische jetzt schon schäumen!

Gusenbauer räumte ein, dass es auch unter einer möglichen SP-Regierung nicht viele Fördermittel zu verteilen gäbe. Eine Entlastung auf der Ausgabenseite bringe ohnehin mehr. Ins Eck drängte den SP-Chef die Feststellung, dass sich eine sozialdemokratische Kulturpolitik mit ideologischen Prinzipien in den letzten Jahren, ja Jahrzehnten, aus der Gesamtpolitik abgemeldet habe. Immerhin kündigte Gusenbauer ein kulturpolitisches Wahlprogramm seiner Partei an, das eine einforderbare Grundlage schaffen solle (und das dann hoffentlich auch Parteifunktionäre in Hintertupfing oder Klagenfurt zu beachten haben). An solchen Versprechen und Aussagen muss sich der SP-Vorsitzende jedenfalls in Zukunft messen lassen. Ewige Gültigkeit hat wohl nur Landesrat Raus’ Feststellung: „Auch ein Kanzler Gusenbauer kann nicht zaubern“. Das erklärt wohl, warum Gusenbauer den ARGE-Boden erst gar nicht geküsst hat.