september 2002

Thomas Neuhold
titel

Mehr Politik bitte!

Wenn Mitte September das zum Symbol des radikalen Neoliberalismus avancierte WEF seinen (Ost-)Europagipfel in Salzburg abhält, darf zum zweiten Mal in Serie mit einer Reihe von Gegenveranstaltungen und Protesten gerechnet werden. Die Aktionen könnten weit massiver ausfallen als im Juli 2001. Denn über die Notwendigkeit, der ungezügelten Herrschaft einiger weniger Kapitalgruppen Einhalt zu gebieten, besteht erstaunliche Einigkeit: Von ganz links bis zum VP-Wirtschaftsbund – fast alle sind irgendwie „dabei“; und das bei wirtschaftspolitisch und sozialen Themen.

Die angesichts dieser Entwicklung spürbare Aufbruchstimmung – gerade am linken Flügel der GlobalisierungskritikerInnen – darf freilich nicht über die politischen Defizite hinwegtäuschen.

• Vom Wirtschaftsbund, der eine Rückkehr in ein marktwirtschaftliches System mit protektionistischen Elementen von Verboten und Förderungen forciert, sowie ATTAC, das auf bekannte staatliche Steuerungsinstrumente setzt, einmal abgesehen: Konzepte sind Mangelware. Was ist „anders“ an der vielfach geforderten „anderen Welt“?

• Eine Suche nach breiteren Bündnissen fand kaum statt. Das »Sozialforum« besteht im Kern aus Linkskatholiken, Grünen und von ihnen dominierten Organisationen (ÖH) sowie der KPÖ und einigen Einzelpersonen. Die Bezeichnung »Forum« allein macht eben noch kein Forum. ATTAC etwa unterstützt zwar die geplante Demo, nicht aber das »Sozialforum«, sondern sucht (auch) die Nähe zu Gewerkschaft und Arbeiterkammer. ÖGB und AK wiederum verharren als „sozialpartnerschaftliche“ Ansprechpartner des Wirtschaftsbundes. Die Sozialdemokraten haben sich (wieder einmal) abgemeldet.

• Protest und Marketing scheinen – die Kulturprojekte im Volksgarten ausgenommen – insbesonders für den linken Flügel unvereinbar zu sein. Wer thematisiert etwa, dass Teile der Bevölkerung von der hochgerüsteten Staatsmacht in Zonen kaserniert werden, und erklärt den Menschen, dass nicht die Aktionen allein schuld am temporären Verlust ihrer Freiheit haben? Gerade die angekündigte Demo läuft so Gefahr, zum Ritual ohne Bezug zur Salzburger Wirklichkeit zu verkommen.

Wer die Vorbereitungen der letzten Wochen aufmerksam verfolgt hat, kommt zum Schluss: Die hochpolitischen GlobalisierungsgegnerInnen agieren oft zu unpolitisch.