september 2002

Andreas Rennert
titel

Wozu Sozialforen?

In den letzten Jahrzehnten haben sich die Repräsentanten einseitig wirtschaftlicher Interessen zunehmend vernetzt. Lokal, national, international. Mit dieser Strategie haben sie fürs Erste einen absoluten Bombenerfolg: Die veröffentlichte Meinung, die propagierten Lebensmodelle für die Zukunft sehen den trendigen, zynischen Egoisten als erstrebenswerten »neuen Menschen«. Eine Zweidrittelgesellschaft, international eine Einzehntelgesellschaft, wird politisch programmiert und instrumentalisiert: Die Trennung der Gattung Mensch in verachtenswerte Habenichtse und angstbesessene »Reiche«, die etwas zu verlieren haben.

Die Interessen der Hilflosen, der Alten, der AlleinerzieherInnen, Kranken, Armen hier bei uns in Österreich können heute nur gehört und durchgesetzt werden, wenn mit gleichen Mitteln gearbeitet wird, mit wirkungsvoller Vernetzung.

Einzelpersonen, Organisationen, Vereine, gesellschaftliche Kräfte, die eine gerechte Gesellschaft zum Ziel haben, müssen gemeinsam Lobbying betreiben: Um ins Bewusstsein zu rücken, dass Profit niemals wichtiger sein kann als Menschen und dass es verrückt, ja gefährlich ist, Nationalökonomen und Konzernen die Gestaltung unserer Gesellschaft zu überlassen. Was verstehen denn die von Menschenrechten? Von Bürgerrechten? Von Gerechtigkeit? Von Menschenwürde? Welche Ambitionen haben sie, für das Glück von Menschen zu arbeiten?

Sozialforen sind zwar sicher keine Verschmelzungsbewegung linker, humanitärer, reformistischer, menschen- oder bürgerrechtsbezogener Kräfte. Aber sie sind eine Möglichkeit, Ansprüche auf menschengerechte Politik zu formulieren und zu stellen. Der Erfolg rein profitorientierter restaurativer Machtpolitik führt uns vor Augen, wie groß unser eigener gemeinsamer Nenner in Wirklichkeit ist, wie wichtig es aber auch ist, diesen Nenner gemeinsam auszuspielen. Bei allen – berechtigten! – unterschiedlichen Herangehensweisen an einzelne Probleme. Es genügt keineswegs, Schäden zu begrenzen, die das Treiben neoliberalistischer Extremisten hier bei uns in Österreich anrichtet. Wir brauchen für den politischen Diskurs neue Modelle und neue Ziele, und wir brauchen Foren, in denen wir miteinander sprechen und sie gemeinsam erarbeiten können.