september 2002

Thomas Neuhold
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„Fundamentaler Liberalismus ist nicht unsere Sache“

Ein »kunstfehler«-Gespräch mit dem Obmann des Salzburger ÖVP-Wirtschaftsbundes Julius Schmalz über Globalisierung und den WEF-Europagipfel.

kunstfehler: Der Salzburger ÖVP-Wirtschaftsbund organisiert zum diesjährigen Osteuropagipfel des Weltwirtschaftsforums eine ergänzende Veranstaltung. Für eine VP-Teilorganisation ist das doch recht ungewöhnlich. Warum machen Sie so eine Veranstaltung?

Julius Schmalz: Wir sind der Anwalt der Klein- und Mittelunternehmen und versuchen unser Wort zu erheben.

Das ist oft nur mit besonderen Strategien möglich. Wir wollen rüberbringen, dass die Globalisierung einheitlicher Standards bedarf, damit nicht Teile der Bevölkerung und der Wirtschaft unter die Räder kommen. Ich denke da an Umwelt-, Sozial- und Finanzstandards.

Es müssen weltweit einheitliche Regelungen aufgestellt werden, um die Chancen der Globalisierung umsetzen zu können. Wir wollen aber auch die Bedeutung der Klein- und Mittelbetriebe unterstreichen. Rund 98 Prozent der europäischen Wirtschaft bestehen aus solchen Unternehmen. Das müsste den Verantwortlichen zu denken geben, da dieser Faktor wesentlich zum Wohlstand beiträgt.

Dieser Teil der Wirtschaft zahlt im Vergleich zu den Großen das Sechsfache an Ertragssteuer und das Doppelte an Mehrwertsteuern.

kf: Haben Sie ein Beispiel, wie in Salzburg für eine von Ihnen vertretene Branche im Zuge der Globalisierung konkreter Schaden entstanden ist?

Schmalz: Am Beispiel der Finanzwirtschaft lässt sich am deutlichsten erkennen, was läuft. Das Kapital ist nicht im Griff, das Kapital ist hemmungslos frei. Ich bekenne mich hingegen zur ökosozialen Marktwirtschaft. Das heißt, den Markt in einen Rahmen ökologischer und sozialer Standards einzubinden. Das garantiert, dass Unternehmer und Mitarbeiter nicht unter die Räder kommen.

Ein konkretes Beispiel ist »Libro«. Da ist ein großer, internationaler Konzern, der die Kleinen durch einen hemmungslosen Verdrängungswettbewerb fast aufgearbeitet hat. Jetzt ist er selber in Schwierigkeiten. Um aber nun die 2.400 Mitarbeiter im Arbeitsprozess halten zu können, werden unheimliche Summen hineingesteckt, die letztlich aus den Steuermitteln der Klein- und Mittelbetriebe – Stichwort Entgeltfortzahlungsfonds – finanziert werden.

kf: Das Ansinnen, den freien Wettbewerb zwar zu befürworten, aber gleichzeitig Regeln für den Markt wieder einzuziehen, ist doch von sozialdemokratischen Positionen nicht weit entfernt.

Schmalz (lacht): Es geht nicht um das Wieder-Einführen. Wir brauchen nur die Amerikanisierung nicht im vollen Umfang Platz greifen zulassen.

Zweitens: Das sozialistische Gedankengut ist davon weiter denn je entfernt. Offensichtlich wollen die Sozialisten – durch das VOEST-Syndrom motiviert – den Markt überhaupt freigeben. Denken Sie nur an die Verhandlungen um Regelungen für Einkaufszentren. Da ist die Begeisterung für Regulative sehr gering.

kf: Sind also die sozialdemokratischen Politiker der Marke Schröder und Blair neoliberaler als der Wirtschaftsbund?

Schmalz: Blair und Schröder will ich nicht beurteilen.

Der Wirtschaftsbund ist jedenfalls nicht liberal, wir bekennen uns zur ökosozialen Marktwirtschaft; der fundamentale Manchesterliberalismus ist nicht unsere Sache. Wir gehen den Weg, der sich nach den beiden Kriegen hervorragend bewährt hat.

Das Problem ist derzeit, dass die größten Unternehmen solche Dimensionen angenommen haben, dass dem die Politik beinahe machtlos gegenübersteht. Durch die Globalisierung und weil es keine internationalen Standards gibt, ist die Politik erpressbar...

kf: ...das Primat der Politik ist weg...

Schmalz: ... ja, man hat oft das Gefühl, es wird nur mehr verwaltet und nicht mehr gestaltet.

Die Chance der Globalisierung besteht in einheitlichen Regelungen. Dann ist Erpressung durch die riesigen Unternehmen unmöglich. Das Kyoto-Abkommen wäre ein erster Schritt gemeinsamen Bemühens, dass der Wettbewerb weiter bestehen bleibt.

kf: Ihre Veranstaltung am 13. September ist in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum Gipfel des WEF. Was würden Sie sich von dieser Lobby-Tagung für die von Ihnen vertretenen Klein- und Mittelständler erwarten?

Schmalz: Wir selbst wollen uns im Umfeld dieser Tagung wissenschaftlich fundiert artikulieren sowie Chancen und Risiken der ganzen Debatte aufzeigen.

Zum WEF muss man fragen, warum ist es nicht möglich, dass man bei diesem Forum Vertreter der Klein- und Mittelunternehmen einlädt? Es kann nicht so sein, dass Staatspräsidenten mit 30 oder 40 lobbyingmäßig aufgezogenen Großkonzernen die Weltordnung machen. Wenn ich von Weltordnung spreche, gehören alle dazu. Da sagt Arbeiterkammerpräsident Alexander Böhm übrigens mit Recht, auch die Arbeitnehmer gehören eingebunden.

kf: Wie ist die Resonanz auf Ihre Aktion bei ihren rund 6.500 Mitgliedern in Salzburg?

Schmalz: Vereinzelt kritisch, aber im Großen und Ganzen positiv.

kf: Eine gemeinsame Pressekonferenz (bei der im Juli die Vorhaben rund um den WEF-Gipfel präsentiert wurden; Anm. der Red.) von VP-Wirtschaftsbund und Arbeiterkammer mag ja noch nicht allzu ungewöhnlich sein. Daneben saßen aber auch noch grün-alternative Gewerkschafter und Vertreter von ATTAC. Wie ist denn die Stimmung, wie redet man sich als schwarzer Wirtschafter mit ATTAC?

Schmalz: Wir stehen hundertprozentig zu einem Dialog. Es bringt nichts, sich zu entfernen, vor allem wenn gemeinsame Ziele da sind. ATTAC hat aufgezeigt, wo das hinführt, wenn Gigantonomie zum Maßstab aller Dinge wird. ATTAC ist eine durchaus ernst zu nehmende Organisation. Wo sich der Dialog bietet, greifen wir zu. Im Grunde genommen sind wir in einer Richtung, wir haben nur die Klein- und Mittelbetriebe dazugenommen.

kf: Eine der zentralen Forderungen von ATTAC ist die Besteuerung von internationalen Finanzspekulationen – verkürzt: Tobin-Tax. Könnte sich der Salzburger Wirtschaftsbund dem annähern?

Schmalz: Grundsätzlich müssen für die Kapitalströme Regulative geschaffen werden, dass hier nicht durch Finanzströme Nationalstaaten kaputt gemacht werden können, weil die Politik diesen Riesenunternehmen nicht willfährig ist. Die Maßnahmen müssen sorgfältig gewählt werden. Darum ist es eben notwendig, dass möglichst viele an einem Tisch sitzen, die ganz konkrete Bevölkerungskreise und Gruppen vertreten, damit die von vorne herein alle eingebunden sind.

kf: Danke für das Gespräch.