september 2002

Norbert Mayr
grausame orte

Verheizen eines Kraftwerks

Ein Politiker entscheidet über Architektur und ist oft überfordert. Ein täglicher Vorgang auch in Landgemeinden Salzburgs, wenn Bürgermeister als österreichweit erste Bauinstanz zeitgemäße Architektur aburteilen oder zumindest entstellen. Anders als sich dies unter Ausschluss der Öffentlichkeit in Gemeindestuben vollzieht, macht dies Landeshauptmann Franz Schausberger öffentlich. Die Vorgeschichte: Das Land hatte – wie allerorts üblich – die Ermittlung des Landesarchitekturpreises 2002 einer Fachjury übergeben. Auf eines der drei ausgewählten Bauwerke stürzte sich aber die »Krone« und streute die Fehlinformation, dass das Heizkraftwerk-Mitte als „Hammer für das Stadtbild“ den Landesarchitekturpreis 2002 bekommen solle. Tatsächlich wurde aber das Betriebsgebäude der Salzburg AG ausgezeichnet, das – wie das benachbarte Kraftwerk – von den renommierten Schweizer Architekten Marie-Claude Bétrix & Eraldo Consolascio stammt. LH Schausberger sprang auf die Linie des Boulevardblattes auf. Er setzte sich über die Entscheidung der internationalen, zu 3/5 von Landesstellen bestellten Jury hinweg und blockierte die Verleihung des Preises durch die Politik.

Das Heizkraftwerk-Mitte, ein anthrazitfarbenes Betongebäude mit einem 70 Meter hohen Kamin, gilt vielen schon vor Fertigstellung als Schandfleck. Schausberger kann es recht sein, lenkt es doch von anderen »Kandidaten« – den landeshauptmännischen Großbaustellen Museum am Berg und Stadion vor Schloss Kleßheim – ab. Wer sich mit Baukunst auseinandersetzt, kann sich – was das Heizkraftwerk betrifft – seiner plastisch architektonischen Qualität nicht entziehen. Trotzdem sind Fragen angebracht: War die Entscheidung für diesen Standort für die vervierfachte Leistung richtig? Musste heute und in unmittelbarer Nähe zur Altstadt ein derartig pathetisches Monument und ein erklärter »Monolith« entstehen, der im Konzert der Kirchen und Türme mitspielen will? Die Metapher als „Stück roher, dunkler Fels, der mit der archaischen Wucht des Findlings aufragt“, geht jedenfalls nicht auf. Nahe liegende Assoziationen zu Krematorium oder Dampflock führen in die Sackgasse. Gas und Öl haben längst die Kohle ersetzt. Der direkte Vergleich mit alternativen zeitgemäßen, unprätentiösen Architekturkonzepten wäre lohnend gewesen. Der öffentliche Bauherr, die heutige Salzburg AG, hat jedoch keinen Wettbewerb durchgeführt. Er hat ohne Gesamtperspektive Bétrix & Consolascio mit dem Bauwerk für die Rauchgasreinigung (1987), dann mit dem Umspannwerk (1995) und schließlich mit dem Kraftwerksneubau scheibchenweise beauftragt. Dabei wird gemeinsam mit dem geglückten Freiraumkonzept und dem (politisch nicht) ausgezeichneten Betriebsgebäude die ehemalige Hinterhofatmosphäre zur Schwarzstraße verschwinden. Der Landesarchitekturpreis wird 2002 wohl nicht verliehen. Was bleibt ist Blamage.