Musik

Various Artists

Verschwende Deine Jugend

Punk und New Wave in Deutschland (1977 – 83)

Universal

Nach Jürgen Teipels epochalem Buch über Punk und New Wave in Deutschland vor dem Aufkommen der sogenannten »Neuen deutschen Welle«, war es eigentlich nur noch eine Frage der Zeit bis die Nachfrage nach der dabei verhandelten Musik endlich mit einer Doppel-CD belohnt wird.

Also wurden zusammen mit Frank Fenstermacher (Der Plan) verlorene Schätze geborgen und mitunter rareste Klassikaner erstmals auf CD veröffentlicht bzw. wieder zugänglich gemacht (ein Großteil der in den Neunzigern auf CD wiederveröffentlichten deutschen Punk/New Wave-Platten aus den späten Siebzigern und frühen Achtzigern erschienen in schnell wieder vergriffenen Miniauflagen).

Dazu gehört nicht nur »Herrenreiter« der Fehlfarben-Vorgängergruppe Mittagspause, dessen Neudefinition der deutschen Fahne im Refrain immer noch unschlagbar ist (»Schwarz – der Himmel unserer Zukunft! Rot – die Erde der Vergangenheit! Gold – die Zähne unserer Väter!«).

Auch Bands wie Male (»Zensur & Zensur«), KFC (»Stumpf ist Trumpf«), S.Y.P.H. (»Zurück zum Beton«) und Abwärts (»Computerstaat«) zeigen durchaus unterschiedliche Vorstellungen von Punkrock (zwischen anglo-amerikanischen Aneignungen und einer Art Hump-Ta-Ta-Bastardisierung von Ska/Two Tone-Rhythmen) wie auch unterschiedliche Herangehensweisen an die damals neu entdeckten Möglichkeiten mittels der eigenen Muttersprache eine BRD, die sich immer noch im Herbst befand, zu kommentieren. Wobei gerade der Hump-Ta-Ta-Punk von Bands wie Mittagspause und S.Y.P.H. so was wie Punk-Nostalgie erst gar nicht aufkommen lässt. Auch weil diese Musik im Grunde immer noch unglaublich seltsam klingt. Was dann besonders auch bei den »Elektronikern« zum tragen kommt, die stellenweise von aktuellen Techno/Relectronica-Produktionen nicht zu unterscheiden sind. Allen voran natürlich

DAF (mit dem in England aufgenommenen Original von »Kebapträume«), das Prä-Techno-Split-Projekt Liaisons Dangereuses, die Ex-Male-Band Krupps (»Wahre Arbeit, wahrer Lohn«) und Der Plan (»Da vorne steht 'ne Ampel«) sowie Plan-Mitglied Pyrolator. Punk erscheint so auch eher als eine visionäre Idee, denn als ein gewisser Stil. Weshalb auch abstrakte Funkbleichgesichter wie die unerreichten Palais Schaumburg (mit dem späteren Depeche Mode-Produzenten Holger Hiller) neben Bands wie FSK, Fehlfarben, Einstürzende Neubauten oder Andreas Dorau (»Fred vom Jupiter«) Terrains entdeckten und absteckten, von denen später erst wieder durch sogenannte Diskursbands wie Blumfeld, Tocotronic oder den Goldenen Zitronen die Rede war. Nicht umsonst beschließen die gerade 20 Jahre alt gewordenen Toten Hosen mit ihrer zweiten Single den Sampler. Danach regierte die »Happy New Wave«.

Im Herbst soll übrigens eine »Verschwende Deine Jugend«-DVD mit u.a. raren Live-Mitschnitten folgen.

Lauschtipp: Cafe Bizarre – Sonic Adventures mit Didi Neidhart, jeden Sonntag, von 18.00 – 19.00 auf der Frequenz der Radiofabrik (107,7 MHz). Gehört gehört!