sommer 2002

Heinz Kaiser
geschaut

„Was aber ist das Schöne?“ – das Jahresthema des Kulturvereines Schloss Goldegg

Man wird sich vielleicht noch an die Eröffnungsrede des österreichischen Bundespräsidenten zu den Salzburger Festspielen 1999 erinnern. Das Publikum hatte noch mit Zwischenapplaus (!) reagiert, doch die Künstlerschaft und mit ihr Gérard Mortier waren empört. Was war geschehen? Präsident Klestil hatte in sei-ner Rede Werktreue statt Stückezertrümmerung, humanistisches Bildungstheater und Harmonie statt Konfrontation gefordert, und er hatte für das besonders Schöne und Kluge sowie für Stil und Geschmack plädiert. Anderntags war in den Medien von „allgemein herrschender Borniertheit in kulturellen Fragen“ und „Ahnungslosigkeit in künstlerischen Angelegenheiten“, sogar von „Klestils Wahnwitz“ und einem Plädoyer für Verlogenheit in der Kunst zu lesen. Klestil erwarte sich, so Mortier, von der Kunst vor allem Entertainment, nicht Katharsis.

Stil, Geschmack und Schönheit von der zeitgenössischen Kunst einzufordern ist eine verfängliche Sache und die Äuße-rung des Präsidenten wird man wohl als den (unreflektierten) Wunsch nach leicht konsumierbaren Werken interpretieren müssen. Doch genau diesem Bedürfnis, dieser Sehnsucht nach Betulichkeit und leichter Unterhaltsamkeit kann und will der Künstler nicht entsprechen, gehört es doch zu seiner Aufgabe, „eine Art Frontstellung gegen die bürgerliche Bildungsreligion und ihr Zeremoniell des Genusses“ (Gadamer) zu errichten.

Trotzdem: »Schönheit« als Begriff ist aus unserem Sprachgebrauch nicht wegzu-denken, und die Frage „Was aber ist das Schöne?“ erklärte der Kulturverein Schloss Goldegg zu seinem Jahresthema 2002/2003. Wie aktuell diese so komplexe (und letztendlich nicht eindeutig zu klärende) Fragestellung ist, lässt sich durch die »kulturelle Praxis« belegen, nicht nur durch »Beauty Now«, jener Großausstellung, die 2000 in Washington und München zu sehen war. So veranstaltete die Galerie Carinthia ein Symposion zur Schönheitsfrage und publizierte in einem Tagungsband die Referate, eine der letzten Ausstellungen des Kunstraums Innsbruck nannte sich »The Beauty of Intimacy«; die Fotografin Margherita Spiluttini betont, dass sie sich seit Jahren mit dem Schönen bzw. mit der Schönheit auseinandersetzt, der Salzburger Künstler Gerold Tusch sieht die Resultate seiner Arbeit als Reflexionen über Vermittlung und Transformation der Vorstellung vom Schönen, die Video-Künstlerin Pipilotti Rist interessiert sich für das Subversive an der Schönheit, Helmut Jasbar ging mit Albert Hosp in einem Ö1-Radiogespräch mit dem bezeichnenden Titel »Die schöne Stelle« der Frage in musikalischer Hinsicht nach, Wolfgang Rihm diskutierte in der FAZ »Die schönen Stellen der musikalischen Literatur«, Otto Penz schrieb das Buch »Die Metamorphosen der Schönheit« (Turia 2001) usw. usf.

Der erste Schritt des Kulturvereins war, seine Mitglieder sowie die Kunst- und Kulturschaffenden, mit denen bislang kooperiert wurde, aufzufordern, Stellung zum Jahresthema zu beziehen. Andrew Phelps zum Beispiel reagierte mit einer Fotografie, Renald Deppe sandte eine Komposition, der oberösterreichische Cartoonist Peng schickte einen Cartoon und der bildende Künstler Peter Haas verfasste seine Gedanken in Gedichtform.

Am 12. Juli wird in Goldegg die Ausstellung SCHÖNER (mit rosa mosa/Mode+Design, Margherita Spiluttini/Fotografie, Walter Strobl/ Malerei und den Video Sisters/Videoinstallation) eröffnet, Otto Penz referiert über »Schönheit und Begehren«. Wie schon in der Ausstellung SCHÖN (mit Christina Breitfuß, Peter Haas, Reinhart Mlineritsch sowie Gerold Tusch und Otto Neumaiers Vortrag »Schönheit, die ich meine« als Auftakt) geht es darum, jene um ihre Vorstellung zu bitten, die für eine ästhetische Bedeutung von »schön« die eigentlichen Fachleute sind – die bildenden Künstler.

So diffus es auch ist, vom Schönen zu sprechen, es lohnt sich die Mühe, diesen ständig strapazierten Begriff, mit dem noch dazu ein Werturteil verknüpft ist, auf seine Tauglichkeit hin zu überprüfen. Ludwig Wittgenstein meinte: „Man muss manchmal einen Ausdruck aus der Sprache herausziehen, ihn zum Reinigen geben, – und kann ihn dann wieder in den Verkehr einführen.“ Es wäre schön, wenn der Kulturverein mit seinem Veranstaltungsprogramm einen Beitrag zur Reinigung leisten könnte. So weit – so gut – so schön.