sommer 2002

Didi Neidhart

Politische Selbstheilungen

„Ich heil mich selbst!“, ist die stereotype Antwort von Mel Brooks in seinem 1983er Remake des Ernst Lubitsch-Klassikers »To Be Or Not To Be« aus dem Jahr 1942. Brooks ist dabei Mitglied einer Theatergruppe im besetzten Polen, die mit allerlei Tricks versucht, den Nazis zu entkommen. Und wie Schauspieler nun mal so sind, verkleiden sie sich. Brooks natürlich als Hitler. Und die oben angeführte Antwort folgt selbstredend auf jedes ihm entgegengebellte „Sieg Heil!“. Jetzt wissen wir zwar nicht, ob Ex-SPÖ-Finanzminister Rudolf Edlinger, als er im Parlament rapide FPÖ-Äußerungen zum Demonstrationsrecht in Demokratien mit besonderer Berücksichtigung der Meinungsfreiheit in Sachen »Wie Großvater die Heimat in Stalingrad verteidigte« mit „Sieg Heil“ kommentierte, an Mel Brooks dachte. Die Reaktionen darauf, allen voran Peter Westenthalers martialisch-filmreifer »Wiederbetätigungs«-Fingerzeig in Richtung Edlinger, ließen dann aber doch das jahrelang aufgestaute Leiden unter dem linken Tugendterror derart herausplatzen, dass eine Unterscheidung zwischen Farce und Komödie nur noch schwer auszumachen war. Denn so sehr die FPÖ, wird einmal in ihren Reihen von »Ehre« und »Treue« gesprochen oder »NAZI« neu buchstabiert, auf scheinbar logisch-verständliche Gedächtnislücken durch den Gnadenakt der späten Geburt oder Befreiungen vom Geschichtsunterricht verweist, so sehr wurde im Falle Edlinger sofort davon ausgegangen, dass er wusste, wovon er sprach. Wusste er auch. Mit dem Ergebnis, dass sich die FPÖ nun eigentlich selber in Geschichte durchfallen lies. Diesem Selbstheilungsprozess hätte dann eigentlich nur noch ein Antrag auf ein Überhauptverbot (sicher ist sicher) von „Sieg Heil“-Sagern – wo auch immer sie vorkommen mögen – gefehlt. Dann wären nicht nur Mel Brooks und Ernst Lubitsch sondern auch Spielbergs »Schindler's Liste« weg vom Fenster. Dafür könnten historische Lücken beim Betrachten von »Jud Süß« entsorgt werden. Soweit wurde dann aber doch nicht gedacht. Dafür kam das Vermummungsverbot aufs Tablett. Frei nach dem alten Motto »Wer nichts zu verbergen hat, braucht sich auch vor Observationen und ähnlichen Eingriffen in die Privatsphäre nicht fürchten.« Zudem gehe es ja eher um die Tatbestandskombination von Vermummung und Bewaffnung. Worunter aber auch schon mitgeführte Plastikflaschen mit Mineralwasser fallen können, wie wir vom letzten WEF-Gipfel in Salzburg wissen. Was ist zudem mit der Vermummung und Bewaffnung bei Perchtenläufen? Fallen die unter »landesübliches Brauchtum«? Und überhaupt: Warum vermummen sich Neo-Nazis fast nie? Haben die nichts zu befürchten, oder wie oder was?