sommer 2002

Wiglaf Droste

Verteidigung der Kartoffel gegen Veronica Ferres

Äußerst schmackhaft ist die Kartoffel. Einst kam sie aus Übersee zu den Deutschen. Wacker verzehrten sie die neue Knolle, erwiesen sich aber als wenig dankbar: Bis heute wird die Kartoffel mannigfaltig massakriert und missbraucht, als Pfanni-Krokette, in Form von Tiefkühl-Pommes-Frites, als uninspiriert wassermatschig zerkochte Salzkartoffel, als palettenweise in Zehnkiloeimer hineingepröteter Kartoffelsalat. Keines dieser Verbrechen wurde je gesühnt, die Täter sind auf freiem Fuß und lachen, als hießen sie Feistus Raclettus.

Ich bin ein Freund der Kartoffel, und ich sage: J'accuse! Noch ärger als ihre kulinarische Hinrichtung ist die Verhöhnung, die der Kartoffel durch die aufdringlichste und möchtegernigste ihrer Repräsentantinnen widerfährt: Veronica Ferres. Die Schauspielerin, in ihrem Beruf so vielschichtig wie ihr Kollege Till Schweiger, wuchs als Tochter eines Kartoffelhändlers auf - und nimmt das pausenlos zum Anlass für volkstümelnd peinliche Anbiederung. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit kartoffelt Veronica Ferres die Mikrofone zu: Am Marktstand ihres Bruders in Solingen, das erzählte sie im April 2002 zum x-ten Mal auch der Bahnzeitschrift »DB mobil«, stehe sie „gerne und so oft ich kann.“ In der Populismuswelt der Veronica Ferres ist eben jede Woche Kartoffelernte, und den Markt besingt sie als einen „Kontrast zur Schnelllebigkeit der Supermärkte.“ Ja, diese Supermärkte: unglaublich schnelllebig! „Live fast, die young!“, rief Penny, der junge wilde Supermarkt, stieg auf seine Rebellen-Zündapp und ging mit Lidl zum Regenbogen, aaah...

Auch für Veronica Ferres gilt das Diktum von Karl Kraus: „Es genügt nicht, keine Gedanken zu haben. Man muss auch noch unfähig sein, sie auszudrücken.“ Nicht wenige Penisverpömpler im Land aber mögen das und finden's top-erotisch, wenn Mutti eher simpel gestrickt ist - möglicherweise in der trügerischen Hoffnung, die eigenen Defizite fielen dann weniger auf. Laut Umfragen möchten drei Viertel aller deutschen Männer liebend gerne nicht nur Iris Berben, sondern auch Veronica Ferres beschlafen.

Warum? Ist die Not wirklich so groß? Man steckt ja nicht drin, auf jeden Pott passt ein Deckel, und auf Veronica Ferres eben eine ganze Deckelfabrik. Mir wäre das völlig gleichgültig, würden in diesem Ferres-Topf nicht unschuldige Kartoffeln mitgegart. Als Gratin oder Brei, als Pell-, Brat- oder Stampf-, als Bèchamel- und Herzogin – aß ich unzählige Kartoffeln, und alle waren sie weit subtiler, als Veronica Ferres es je sein könnte. In den eigenen Worten der bekennenden und bekehrenden Weltnichtraucherin klingt das so: „Meine Haut ist ganz fantastisch geworden.“ Oder so: „Ich kann mit jedem Klischee leben.“ Kann ist kühn gesagt, wenn man muss. Die ganze Bandbreite von A bis B beherrschen und daraus Selbstbewusstsein schöpfen, das ist die Kunst des schlichten Lebens.

Zu keiner Kartoffel würde ich je Veronica sagen, nicht einmal, wenn sie keimte. Nach Veronica Ferres kann nur eine Kartoffelsorte benannt werden, die allerdings im Genlabor erst ausgeheckt werden müsste: die gleichsam fleischsalatig vor sich hin quasselnde Granata Germaniae.