mai 2002

gelesen

Literatur

Jürgen Elsässer:

»Make Love and War«. Wie Grüne und 68er die Republik verändern.

(Bonn 2002, Pahl-Rugenstein Verlag)

Der Journalist und Konkret-Autor Jürgen Elsässer legt mit seinem aktuellen Buch eine Abrechnung mit den (deutschen) Grünen vor, die es in sich hat. Mit unerbittlicher Polemik zerlegt der Autor den gesammelten Schwachsinn, den uns die Toscana-Fraktion und Fischerman`s Friends als fortschrittliche Politik verkaufen wollen. Die Ursachen diagnostiziert Elsässer bereits bei den Apo-68ern. Aus dem damals geläufigen Slogan „Fighting for peace is like fucking for virginity“ ist längst ein Krieg – natürlich zur Friedenssicherung – geworden, der deutsche Truppen erstmals seit der Nazi-Zeit in verschiedenen Kontinenten aufmarschieren lässt. Militarismus als Friedenspolitik zu tarnen stellt nur einen »Bruch« mit früheren grünen Prinzipien dar. Diese Partei mit ihrer offensichtlich machtgeilen Lumpen-Intelligenzija hat eigentlich alle ihre programmatischen Grundsätze verraten.

Elsässer konstatiert bei Joschka Fischer (aber auch schon bei Rudi Dutschke) persönliche Gründe für den Kriegskurs der Grünen. »Biographische Deformationen«, die mit den Kriegserfahrungen der Eltern zu tun haben. Daneben verweist der Autor aber vor allem auf die philosophischen Hintergründe und Ursachen: Die neuen französischen Philosophen, Poststrukturalisten, besonders Foucault, die Postmoderne und die Poplinke werden verantwortlich gemacht für den grünen Bellizismus und die Abkehr von den Werten der Neuen Linken. Den provokanten Thesen muss man nicht uneingeschränkt folgen, um allen Armani-Intellektuellen ein gründliches Studium dieses Buches verordnen zu wollen.

Zur Untermauerung seiner Thesen bedient sich Elsässer verschiedener Quellen. Etwa des David Cronenberg-Films „ExistenZ“: Dort gibt es die „Materiellen“ und die „Virtuellen“. „Die Virtuellen hassen alles, was uns Materiellen den Kapitalismus erträglich macht - Sex ist Vergewaltigung, Rauchen ist Krebs, Fleisch ist Gift - und träumen, gerade weil ihr Leben so spannungslos ist, von dessen unendlicher Verlängerung: Joggende Körnerfresser im Alter von Leni Riefenstahl, ewig moralinsauer und geschmacklos teuer gekleidet“. Revolutionäre Subjekte aber sind nicht dem BSE-Wahn verfallen und langen ordentlich zu. Eat The Rich! Doc Holliday

Peter Truschner:

»Schlangenkind«

(Wien 2001, Zsolnay Verlag)

Der ehemalige kf-Mitarbeiter Peter Truschner, der inzwischen in Berlin lebt, legt mit »Schlangenkind« seinen ersten Roman vor. Genauer gesagt einen Entwicklungsroman. In einer bilderreichen und -starken Sprache lässt der Autor seinen Ich-Erzähler von Kindheit und Jugend berichten. Ursprünglich als autobiographische Novelle geplant, hat sich der Stoff schließlich zur Fiktion hin bewegt.

In einem kleinen Kärntner Dorf wächst der Protagonist bei den Großeltern auf. Der Opa ist ein Trinker und Spieler, der auch zu körperlicher Gewalt neigt. Die Mutter arbeitet und lebt in Salzburg. Truschner verklärt das dörfliche Leben keineswegs. Die österreichische Literaturgeschichte kennt zahlreiche Werke (etwa von Handke, Bernhard, Innerhofer, Winkler...), die Provinzhöllen und unglückliche Kindheiten schildern. Auch bei Truschner sucht man vergeblich nach einer Idylle. Dennoch hat der genaue Blick des Autors auf seine ambivalenten Figuren nichts Denunziatorisches. Gerade die Person der Mutter, die den Ich-Erzähler irgendwann nach Salzburg mitnimmt - und damit die Oma traumatisiert - , wird mit großer Einfühlsamkeit gezeichnet. Wie man eine Familie überlebt, auch davon handelt das Buch. Und natürlich vom Prozess der Loslösung und der Befreiung von der Mutter. Am Ende des Romans, als der Protagonist von der Frau Mama beim Sex mit seiner Geliebten überrascht wird, scheint auch dies vollzogen.

Truschner zeigt sich als genauer Beobachter, dessen Retrospektive nüchtern, frei von Sentimentalitäten und mitunter auch sehr witzig ausfällt. Mit seinem Debütroman ist ihm zweifelsohne ein großer Wurf gelungen, der vom Feuilleton zurecht durchwegs positiv aufgenommen wurde. Doc Holliday

Volksstimme

Linke Wochenzeitung – KPÖ (Hg.)

Als die Kommunistische Partei 1991 das oftmals weit unter seinem journalistischen Wert gehandelte Parteiorgan »Volksstimme« – zugunsten der Weiterbeschäftigung eines weitgehend reformunwilligen Apparates – einstellte, ging in Österreich eine Ära zu Ende. Die heute von der KP herausgegebene Wochenzeitung hat mit ihrer großen Vorgängerin nur noch den Namen gemeinsam – eigentlich ist sie mehr ein »Volksstimmchen«. Angesichts der politischen Möglichkeiten der KP und des Traditionalismus mancher FunktionärIn schlägt sich das Wochenblättchen aber recht tapfer. Vor allem mittels Interview – zum Beispiel der Grüne Wirtschaftssprecher Werner Kogler zu den Kompensationsgeschäften rund um den Abfangjägerkauf – wird Aktuelles präsentiert. Auch KP-Chef und Leitartikler Walter Baier formuliert immer wieder überlegenswerte Positionen. Anderes freilich dürfte selbst für hartgesottene linke ZeitungsleserInnen schwer verdaulich sein. Neben manch linkslinker Theorieverliebtheit stoßen vor allem Berichte in eigener Sache sauer auf. Etwa jener (Ausgabe 13/2002), wo von einer Mandatsverdoppelung des Gewerkschaftlichen Linksblock bei Betriebsratswahlen (433 Wahlberechtige) in der St. Pöltener Glanzstoff Austria berichtet wird. Verdoppelung hieß: Von einem auf zwei Mandate! Aber das wird auch erst nach wiederholter Lektüre des Vierspalters klar. Und so bleibt das „Volksstimmchen“ vielleicht auch ein bisschen Spiegelbild der verschiedenen Selbstverständnisse, die in der KPÖ heute zu finden sind. -tom-