mai 2002

Eberhard Siegl

Lungau - Heimat bist du...

Ein Streifzug durch den Talkessel südlich des Tauern

Die Vereinigten, der Samson, der Thomataler Pfarrer Valentin Pfeifenberger auf seinem Esel und nicht zuletzt die Lungauer Liedertafel mit ihren Auslandstourneen bis in die USA, das alles ist Lungauer Kultur ... aber nicht nur das, der Lungau ist auch anders: Ganz leise, ohne viel Radau und Pomp haben sich viele Kulturinitiativen gegründet im Talkessel südlich der Tauern. Das ist anders. Ohne ein überdurchschnittlich hohes ehrenamtliches Engagement hätte sich aber gar nichts getan. Auch das ist anders. Und durch die in regelmäßigen Intervallen wiederkehrenden Lungauliebhaber, Lungauverwurzelten und und Lungauneuentdecker mit dem ganz genauen Blick auf das Dagebliebene bekommt die Lungauer Kulturszene einen besonderen Reiz. Das ist eben etwas anderes. – Ein längst fälliger Streifzug.

Heimat bist du großer Musiker

Zu den bekanntesten Exportartikeln gehören zweifelsohne die Querschläger, eine bunte Sammlung exzellenter Musiker rund um den Musiklehrer Fritz Messner. 1990 als »Frisbee kills Thrash & Punk« für einen Auftritt beim damals noch jungen Goldegger Folkfestival gegündet, absolvierten sie ihren ersten Auftritt als die »Kreuzfidelen Querschläger« im Juni 1990 in Goldegg. Bis heute standen sie schon 150 Mal auf der Bühne, komponierten rund 100 Songs und haben fünf CDs herausgebracht. Da steckt viel Lungau drinnen, allein schon durch den bewusst und konsequent angewendeten Lungauer Dialekt. Viel gute Musik kommt auch von der Lungau BigBand, die erstklassigen Jazz aufspielt, viele der Mitglieder sind nach Graz oder Salzburg ein Instrument studieren gegangen, und auch der Leiter Horst Hofer – übrigens selbst ein überragender Trompeter – trägt durch sein großteils ehrenamtliches Engagement viel zum Ruhm dieser Combo bei. Neben den vielen internationalen Guest-Stars sind auch immer wieder der international renommierte Pianist Rudi Wilfer (Wahllungauer) und Schlagzeuger Franz Trattner mit von der Partie. Trattner hat viele Projekte ins Leben gerufen, u.a. »Organic« (1998) oder »Take five«, in dieser Formation ist Trattner übrigens auch heuer bei einer Jazzszene-Veranstaltung wieder zu hören. Die Jazzszene Lungau ist überhaupt der treibende Motor für viele Konzerte im Lungau, sei es in diversen Tamsweger Spielstätten, in der Burg Mauterndorf, auf der Ludlalm beim Prebersee (heißt wirklich so) oder in Ramingstein auf der Burg Finkelstein oder im Jagglerhof. Gesungen wird viel im Lungau, so auch von den »Young Voices«, das sind rund 30 SängerInnen unter der Leitung von Franz Griesner, die stets für volle Publikumsränge bürgen, kein Wunder, denn da singen Lungauer für Lungauer, und es kann durchaus auch etwas von einem Zwölftonmusiker sein, egal, das finden einfach alle gut.

Heimat bist du großer Dichter und Theatermache

Ramingstein als spannender Knotenpunkt vieler künstlerischer Initiativen, allen voran einmal das mittlerweile schon legendäre Theater-Happening der Thatergruppe »Mokrit« von Robert Wimmer, das seit drei Jahren Fixpunkt ist und bei dem das ganze Dorf eingebunden ist. Beliefert werden die emsigen Theatermacher von Mark Ubl, ein über Salzburg und Wien nun doch wieder in den Lungau heimgekehrter Schriftsteller, der in Tamsweg lebt. Angefangen hat dort alles mit »Der Alchmist« es folgte die »Bettlerhochzeit« heuer wird an einer Aufführung gearbeitet, die den Arbeitstitel »Im Geigenwald« trägt. Das Geld kam anfangs von der Bank, gebürgt dafür hat der Bürgermeister Johann Bogensberger persönlich. Nicht nur das Theater, auch sonst haben die Künste in Ramingstein Einzug gehalten, es zum »Dorf der Künstler« gemacht und ganz wichtig ist dabei die Rolle des Jagglerhofes, der vom Jungbauern Leo Kocher betrieben wird und sich immer wieder als gern bespielte Stätte vieler Kulturinitiativen hervortut. Durch all das ist in der Gemeinde, in der mehr als 60 Prozent zur Arbeit auspendeln müssen, ein neuer, positiver Zusammenhalt entstanden, es wurde das historische Silberbergwerk für Schauführungen renoviert, es gibt alle zwei Jahre eine Anthropologen-Kongress dort, neue Betriebe siedeln sich an und nun soll auch noch mit dem Geld des Tobi-Reiser-Preises der Bahnhof zu einem kreativen Jugendzentrum umgemodelt werden. Nicht zu Unrecht wird das, was in Ramingstein unter der treibenden Kraft von Bürgermeister Johann Bogensberger geschieht, als der »Ramingsteiner Weg« bezeichnet und mit zahlreichen Preisen überhäuft.

Heimat bist du großer Literatur

Seit 1994 engagiert sich auch ein Verlag im Lungau. Der W. Pfeifenberger-Verlag des gleichnamigen Buchhändlers mit voll ausgeschriebenem Vornamen »Wolfgang«, der sein »Gewölbe« in Tamsweg betreibt. Ganz typisch für dien Kulturszene im Lungau gibt es dort auch Konzerte und Lesungen wie zum Beispiel »Bassklarinette und Lesung«, die im März über die Bühne gegangen ist. Im kleinen, aber feinen W.Pfeifenberger-Verlag sind bislang Werke vom und über den Lungau erschienen: Ein Buch von Arnold Pichler (»Valentin Pfeifenberger - Der Bischof vom Lungau«, eine wissenschaftliche historische Chronik), von Gertraud Steiner (»Winkelwelt«, eine Neubearbeitung Lungauer Sagen), ein Bildband (»Tamsweg – von Bürgern, Bauern und vergangenen Zeiten«).

Derzeit sind gerade ein Portrait von Valentin Pfeifenberger mit Interviews von Clemens Hutter zu aktuellen Themen wie Zölibat, Sexualität und Frauen in der Kirche, sowie ein zweiter Bildband in Arbeit.

Heimat bis du ehrenamtlicher Kulturarbeit

Die gerade angestreiften Beispiele sind wohl jene Initiativen, die sich - getragen von vielen Helfern – gerade aktuell sehr stark hervortun und das Zeug zum Fortbestand haben. Derzeit werkeln gerade rund 12 freie Kulturvereine vor sich hin, bewerben ihre Sachen eigenständig, mühen sich kaum mit der Terminkoordination ab, haben kaum Geld und müssen sich von einem Jahr ins nächste retten. Abhilfe und sinnvolle Koordination könnte dazu von der Lungauer Kulturvereinigung unter Robert Wimmer kommen. Die Lungauer Kulturvereinigung hat eine mittlerweile selbst sehr erfolgreiche Kinderschiene aufgebaut, die Besuche in Künstlerwerkstätten bis hin zu Kinderkino umfasst und ihren Höhepunkt in den Sommerworkshops im Jagglerhof in Ramingstein erreicht, der sich heuer erstmals auch auf Workshops für Erwachsene ausdehnt. Auch die Reihe »Alte Neue Klänge«, die sich ständig neue Schwerpunkte setzt (Kuba-Schwerpunkt im Herbst) und in deren Rahmen Theateraufführungen (z.B.»Dreck« von Robert Schneider), Konzerte und Lesungen aufgeführt werden, hat sich schon etabliert. Eine wichtige Leistung der Lungauer Kulturvereinigung ist der Kulturkalender mit sämtlichen Kultur-Terminen im Lungau. Doch bunt und zahlreich sind auch noch jene Projekte, die gerade im Dornröschenschlaf verharren, jedoch von einer gut organisierten Kulturarbeit wieder wachgeküsst werden könnten. So könnte es sein, dass es die Lesetage im Park des Schlosses Kuenburg in Tamsweg heuer wieder geben wird. Auch das Kino in Mariapfarr, das als einziges Lichtspieltheater im gesamten Lungau schon des öfteren Schauplatz eines Versuches war, Filmkultur zu etablieren, bietet sich als Schauplatz für Kulturarbeit an.

Wie auch immer sich die Kulturarbeit im Lungau weiter entwickeln wird, klar ist, dass es ohne ein finanzielles Engagement von öffentlicher Seite nicht wirklich eine erkennbare Struktur mit langfristigen Entwicklungsmöglichkeiten geben wird können. Und trotzdem, auch wenn das ganz logisch ist und eben genau jener Weg ist, den jede Kulturarbeit gehen muss, die Kultur im Lungau ist und bleibt anders. Es macht eben was aus, wenn die unvermeidliche Nähe und das sich Fast-Jeden-Tag-Zufällig-Irgendwo-Treffen in dem mit rund 20.000 Einwohnern eher dünn besiedelten Gebiet zu einer Stimmung führt, die der einer Künstlerkommune ganz nahe kommt.

Im gewissen Sinn ist der Lungau auch deswegen eine Kommune, weil sehr viele in der Kulturarbeit mitmachen, ohne an den Profit zu denken.

Doch jede noch so engagierte Ehrenamtlichkeit hat ihre Grenzen, dann braucht es eben entwicklungsfähige Strukturen, die sich die öffentliche Hand auch leisten muss.