mai 2002

Karl Öllinger

Alles sehr sauber und gepflegt

Wie sehen »uns« die »anderen«? Teil 1 der kf-Serie »Diagnose Salzburg«

Nach 20 Jahren Abwesenheit fällt es mir inzwischen schon recht schwer, mich in Salzburg zurechtzufinden. Oder sollte ich schreiben: noch immer?

An Salzburg fällt einem als Besucher zunächst das auf, was einem sonst bei der Schweiz einfällt: alles sehr sauber und gepflegt. Und was ist hinter der Fassade?

Als ich vor rund 10 Jahren durch meine frühere Wohngegend, das Andräviertel, spaziert bin, habe ich schön geschaut. Das halbe Viertel entkernt - hinter den Fassaden nichts, außer Bauschutt. Einer Broschüre der Bürgerliste habe ich dann entnommen, dass hier nur ein ganz normaler wirtschaftlicher Prozess stattgefunden hatte. Eine Wiener städtische Versicherung hatte mit anderen in den Prozess der Salzburger Immobilienverwertung eingegriffen und ihn ein bisschen rasant beschleunigt.

Wien spekuliert in Salzburg - für mich damals weniger eine Vorahnung der Globalisierung als vielmehr ein deutlicher Hinweis darauf, dass meine Wiener Versicherung genügend Geld hatte und nicht aus schierem Mangel gezwungen war, das Haus, in dem ich damals wohnte, dem Verfall preiszugeben.

Aus dem Andräviertel habe ich Jahre davor wegziehen müssen, weil ich und meine MitbewohnerInnen damals der Meinung waren, dem Mietpreis stünde nur eine unzureichende Leistung des Vermieters gegenüber: Räumungsklage - Vergleich - Auszug! Natürlich haben wir damals heftig und öffentlich dagegen protestiert: „Kampf der Wohnungsspekulation“ haben wir auf weiße Leintücher gepinselt und sie bei den Fenstern hinausgehängt. Zumindest die Polizei haben wir dadurch auf unser Problem aufmerksam gemacht.

Die Polizei: schon 1946 oder 1947 hat sich eine verdiente Widerstandskämpferin auf einem Landesparteitag der SPÖ bei ihrem Innenminister darüber empört, dass die Spitzenfunktionen der Exekutive mit „Ehemaligen“ besetzt wurden. Dann gab es - in den 70er und 80er Jahren - einen Polizeipräsidenten, der noch immer ein „Ehemaliger“ war und daraus auch kein Hehl machte. Zu Allerheiligen am Kommunalfriedhof beim Aufmarsch der K IV, der Angehörigen der „ehemaligen“ Waffen-SS, war er immer dabei. Früher in prächtiger Polizeiuniform, jetzt nur mehr in Zivil. Polizeipräsident ist jetzt ein anderer, kein „Ehemaliger“ mehr. Kontinuität gibt es trotzdem. Der Aufmarsch von Kameradschaft IV bzw. der FPÖ zu Allerheiligen gilt der Salzburger Polizei als „Brauchtum“, Gedenkveranstaltungen von AntifaschistInnen als unerwünschte politische Kundgebungen, die pflichtgemäß zu untersagen sind.

Über mündliche Berichte meiner entsetzten Salzburger Freunde habe ich mitbekommen, dass schon vor Jahren der bloße Aufruf im Internet, in Salzburg Chaostage durchführen zu wollen, genügt hat, um ganz Salzburg in eine polizeiliche Festung zu verwandeln. Fassaden wurden verbarrikadiert, Personen mit verdächtigem Outfit perlustriert oder arretiert. Chaostage in Salzburg? Das wäre das schlimmste, das ärgste, was man dieser Stadt, die von der Kontinuität lebt, antun könnte!