mai 2002

Thomas Neuhold
leitartikel

Eskalation oder Badeausflug

Im September ist es wieder soweit: Die Staatsmacht stellt sich schützend (und gratis) vor die Tagung des Privatvereines »Weltwirtschaftsforum« (WEF), vor dem Stacheldrahtverbau werden GlobalisierungskritikerInnen ihren (mehr oder weniger politisch gehaltvollen Protest) artikulieren. Dazwischen steht die Mehrheit der SalzburgerInnen, denen mit Zustimmung ihrer gewählten VertreterInnen für eine Woche die halbe Stadt enteignet wird.

Schon Monate vor der Veranstaltung bemühen sich zwar WEF-kritische Gruppen und die Exekutive, den September so weit vorzubereiten, dass ein möglichst reibungsloser Ablauf von Tagung und Gegendemonstration gewährleistet ist. Beide Seiten sind vom guten Willen geleitet – allein es wird nichts nützen: Irgendeine Form der Eskalation wird kommen, ja sie ist ein beinahe zwingendes Muss: Wie sonst sollen denn die Kosten mehrerer Millionen Euro für den Einsatz tausender Exekutivbeamter gerechtfertigt werden? Ähnliches gilt auch auf der anderen Seite der Barrikaden: Wie wollen denn die radikalen Gruppen und Grüppchen obskurer »linker« Strömungen den Repressionapparat des Staates als solchen »entlarven«, wenn es keine Zuspitzung gibt? Und so wird schon irgendwo etwas passieren – ein kleines Kesselchen, ein paar Steinchen, einige Verhaftete... –, was sich danach trefflich als Repression gegen das Recht auf Versammlungsfreiheit oder eben als Schutz der Fleißigen und Anständigen vor Randalierern vermarkten lässt – je nachdem.

Der Vorschlag, das Bonzentreffen einfach zu ignorieren, ist für GlobalisierungskritikerInnen keine Alternative. Für einen kollektiven Badeausflug an den Fuschlsee – wie wär’s mit vom ebenfalls globalisierungskritischen Salzburger VP-Wirtschaftsbund spendierten Freibier? – ist das Sendungsbewusstsein der Aufrechten zu groß, die Lage natürlich wieder einmal zu ernst und der Spaßfaktor bei den Linken wieder einmal zu unterentwickelt. Die Legitimationsprobleme für das mangels "Feinden" zwangsläufig dann nur mehr gegen die "Zivilbevölkerung" gerichtete staatlich verordnete Bürgerkriegsszenario wären freilich eine Riesenhetz und letztlich mehr als das.