mai 2002

Wiglaf Droste

Ein Freund für Henryk Broder!

Das jüngste Buch von Henryk Broder, »Kein Krieg, nirgends: Die Deutschen und der Terror«, wird vom Berlin Verlag in Zeitungsannoncen so beworben: „Eine böse, aber große Polemik. – Gerhard Schröder, Bundeskanzler“. Ist hier die Angst im Spiel, man könne Gerhard Schröder ohne Nennung seines Berufs für die Dutzendmaske halten, die er ist? Noch peinlicher ist der Vorgang für Henryk Broder. Was ist ein Polemiker wert, der sich von einem Bundeskanzler loben lässt, den wiederum er zuvor hoch lobte? Broder legt Wert darauf, Gerhard Schröder bei seinem Kurs der besinnungslosen Solidarität mit den USA zu stützen, und im Verein mit Wolf Biermann, Herta Müller, Peter Schneider und ähnlich gedankenfreien Betriebsnudeln erklärte er am 16. November 2001: „Wir unterstützen die feste Haltung der Bundesregierung im Afghanistan-Konflikt.“ Und deshalb ist seine angebliche Polemik jetzt angeblich „böse, aber groß“: Gerhard Schröder hat sich mit seinem Reklamesatz revanchiert – und wer sich an die Hoffnung klammern will, der Kanzler könne, wenn schon nicht sprechen, so vielleicht doch lesen, kann der Empfehlung ja folgen.

Broders schwarzrotgolden eingebundener und geschriebener Schnellschuss ist so polemisch wie Springers Bild: grobschlächtig, ungenau, ressentimentgeladen – und abgefasst im Wissen, Millionen fernsehgefütterte Halbalphabeten hinter sich zu haben. Broders Haltung in der Kriegsfrage gleicht dem Agitationsbombardement, mit dem die Zivilbevölkerung seit Monaten von Regierung und Bild eingedeckt wird: Jaaaa, Krieg! Mit dem Brezelkollateralschaden George W. Bush gegen »die Achse des Bösen« – und gegen die, denen das christlich-fundamentalistische Armageddon-Gerede vom Kampf Gut versus Böse doch etwas zu primitiv ist. So kippt ihm der polemisch gemeinte Rundschlag um in eine kurzatmige, aggressiv realitätsflüchtige und sehr langweilige Hetzschrift: Wer seinen Kopf nicht zum willig-begeisterten Propagandaempfangseimer zugerichtet hat, den erklärt Broder billig zum Feind der Menschheit. Man müsste schon ein sehr reizarmes Leben führen, um dieser fadenscheinigen Nummer noch irgendetwas abgewinnen zu können.

Ein bisschen bedauerlich ist die Verschrumpfkopfung Broders schon: Wie er in den 80er Jahren dem deutsch-antisemitischen Volkskörper in den Hintern trat, das hatte Wut, Schwung und Wahrheit. Danach ging es meistenteils bergab: Broders bevorzugte Angriffsfläche wurde die ehemalige DDR; je länger sie nicht mehr existierte, um so mutiger drosch er auf sie ein. Broder hat ein Hauptgesetz seines eigenen Genres vergessen oder verdrängt: Polemik aus der Mehrheitsposition heraus funktioniert nicht. Gemeinsam mit dem Bundeskanzler gegen das Volk stänkern, wenn es in Teilen nicht fahnenschwenkend mitläuft, ist nicht Polemik, sondern Parteitags- und Erpresserprosa.

Die sich noch mit Weinerlichkeit paart: „80 Prozent“ seiner „Sozialkontakte“, jammerte Broder im Interview mit Springers Welt, habe er „nach dem 11. September verloren“, außer mit seiner Familie habe er nur mit seinem „Freund Reinhard Mohr“ vom Spiegel Telefonkontakt gehabt - es könnten einem die Tränen kommen, zumal sich im selben Interview auch noch eine artige Grußadresse an seinen Arbeitgeber Rudolf Augstein findet, dem Broder claquiert „für das, was er aus dem Spiegel gemacht hat“. Wenn Broder aber niemand mehr geblieben ist als der Friseurgesprächsstoff Gerhard Schröder, sein Zahlmeister Rudolf Augstein und der Pazifistfucker Reinhard Mohr, dann muss man ihm helfen. Zusammenlegen jetzt! Kaufen wir Henryk Broder einen neuen Freund – und wenn es einer zum Aufblasen ist. Denn vom Aufblasen versteht Henryk Broder eine Menge.