„Oida, bist deppat“

Bisweilen präsentiert sich das Lehener Stadion für den Besucher nur mäßig grausam. Da müssen allerdings einige positive Faktoren zusammentreffen: Ideales Wetter, keine langen Schlangen vor den Würstl- und Bierständen, ordentliche Leistungen der Akteure auf dem grünen Rasen, das Fehlen der rassistischen Sprechchöre und Transparente auf den Fanclub-Rängen, gute Stimmung. Wenn aber auf dem Platz Not gegen Elend antritt - und das kann beim SV Wüstenrot Salzburg respektive den heimischen Bundesligamannschaften öfters passieren - , mutiert das Stadion schnell zum Theater der Grausamkeit.

Am 30. März lud der milde Frühlingsnachmittag zum Besuch des 94. Westderbys zwischen den Austrianern und dem Tabellenführer FC Tirol aus Innsbruck ein. Von den idiotischen „Uh-Uh-Uh“- oder „Zick-Zack-Zigeunerpack“-Rufen blieb das Publikum verschont. Dafür wurde auf der Fantribüne ein Transparent mit der vorbildlich caritativen Aufschrift: „Über Salzburg scheint die Sonne, Tirol braucht Licht ins Dunkel“ entrollt. Im Original lautet der aus vielen Stadien bekannte Spruch: „Über X lacht die Sonne, über Y die ganze Liga“. Auf einen überlegenen Tabellenführer trifft das Verdikt freilich nicht wirklich zu und Eigentore können Spiele entscheiden. Einfallsreichtum und Witz gehören zum Repertoire der nicht völlig tumb-vernagelten Fans. Deren Widerstand gegen die Versitzplatzung (Motto: „Sitzen ist für den Arsch“), gegen die hemmungslose Verkommerzialisierung des Fußballs verdient - ganz im Sinne von Gramscis Hegemonie-Steilvorlage – Unterstützung.

Ohne Schimpftiraden kann ein Match nicht vonstatten gehen. Die Schiedsrichter stehen meist im Brennpunkt der Kritik. Die Standardinjurie (die nichts über die Haut-, aber alles über die Kleiderfarbe des Unparteiischen aussagte) hieß früher: „Schiri, du schwarze Sau“. Die vifen Spielleiter entzogen durch das Umrüsten auf andersfarbige Trikots dieser Beschimpfung jegliche materielle Grundlage. Heute tönt es dann ganz profan von den Rängen: „Oida, bist deppat“. Die »Men in Black« sind nicht mehr Underdogs, sondern die Reichen und die Sponsoren der Vereine. Im neuen Stadion in Kleßheim werden diese Klassenunterschiede – wie in allen modernen Arenen - noch viel deutlicher in Beton gegossen werden: In Form der VIP-Lounges. Megabauten als ideologische Statements. Während für »echte« Fans Käfighaltung gilt, feiert die Kaviarelite oben ihre profitablen Deals.

Schöne neue Stadionwelt.