april 2002

Thomas Randisek
geschaut

Agnes Primocic: „Nicht stillhalten, wenn Unrecht geschieht“

Ein langer Atem gehört dazu – die Halleinerin Agnes Primocic erfuhr erst spät im Leben jene Anerkennung durch offizielle Stellen, die ihr eigentlich schon seit mindestens fünf Jahrzehnten zusteht. Mit ihren nun 97 Lebensjahren kam nun noch ein biographischer Film dazu – der Titel ist ihr Lebensmotto: „Nicht stillhalten, wenn Unrecht geschieht“.

Einem kleinen Teil der Bevölkerung wurde das engagierte Leben der Agnes Primocic anfangs der 1980er Jahre bekannt – durch ihre Besuche in Schulen. Das Projekt, WiderstandskämpferInnen in Schulen über ihr Leben erzählen zu lassen stammte vom damaligen Unterrichtsminister Fred Sinowatz und hat in Salzburg wohl den persönlichen wie politischen Werdegang ehemaliger SchülerInnen nachhaltig geprägt. Historikerinnen auf der Suche nach Spuren des »weiblichen Widerstands« gegen die Nazibarbarei stießen auf die couragierte Antifaschistin – dokumentiert etwa in dem Film »Küchengespräch mit Rebellinnen«. Noch später dann doch die »offiziellen« Ehrungen: Frau Primocic ist Trägerin des Troll Borostany Preises und seit dem Vorjahr auch Ehrenbürgerin „ihrer“ Stadt, Hallein.

Warum sich das offizielle Salzburg so lange Zeit gelassen hat? Nun, wer den Film sieht, mag dies erahnen. Untertanenmentalität und Jasagerei haben die Vita von Agnes Primocic nicht bestimmt, im Gegenteil: „engagierte Verweigerung gegen Unrecht, Ausgrenzung und Terror“ (Erika Thurner). Ihre Lebensstationen im Zeitraffer: gewerkschaftliche Arbeit in der Halleiner Tabakfabrik (unter anderem, immer bildungshungrig, als »Vorleserin« für die Kolleginnen), Eintritt in die Kommunistische Partei, aktiver Widerstand gegen den Austrofaschismus, Verhaftung, Widerstand gegen die Nazis, wieder Verhaftung (insgesamt sechs Mal), ungebrochenes Engagement trotz - oder besser wegen zweier Kinder - , Befreiung von 17 Gefangenen, die zum Tode verurteilt waren – und nach dem Krieg aktiv als KPÖ Gemeinderätin.

»Nicht stillhalten, wenn Unrecht geschieht« unter der Regie von Uwe Bolius (der mit »Erinnerungen aus dem Widerstand« auch Grete Schütte Lihotzky portraitierte) versteht es, auch die stärksten emotionalen Eindrücke so in Bild und Ton zu setzen, dass keine emotionale Gefühlsduselei oder Betroffenheitsschweigen entsteht und vermittelt, dass Agnes Primocic Verhalten durchaus auf einfache Beweggründe zurückzuführen ist: „Aber hätt ich mich damals nicht für die 17 eingesetzt, und sie wären wirklich erschossen worden, i wär mein Lebtag meines Lebens nit froh `worden,“ Das Gegenteil ist eingetreten: Der Film dokumentiert auch, dass Mut, Unbeugsamkeit und gelebte Solidarität mitunter recht jung erhält – und dass man trotz aller bitterer Erfahrungen nicht miesepetrig werden muss.

Wieder um eine Erfahrung reicher ist auch Agnes Primocic bei dem Film geworden – sie habe sich nie gedacht, welch enormen (finanziellen) Aufwand so ein Filmprojekt bedeute. Sieht man sich aber schlussendlich die vielen Unterstützer dieses Film an, kann man die Rennereien und Ansuchensflut erahnen: Privatpersonen wie Ernst Gold, die Austria Tabak, die Grünen, die KPÖ, Österreichische Nationalbank, BWBK, Kulturabteilung des Landes Salzburg, Stadtgemeinde Hallein, Arbeiterkammer, Gewerkschaft Agrar Nahrung Genuss, ORF Salzburg, Wolfgang Zenz - und das sind noch lange nicht alle.

Der Film beginnt übrigens aktuell: mit einer Aufnahme aus dem Halleiner Gemeinderat im Jahr 2001, als der (nun ehemalige) FPÖ-Abgeordnete Cirlea im Vorjahr der Ehrenbürgerin Geschichtsfälschung vorwarf – „in Hallein hat es kein Konzentrationslager gegeben“. Was sie denn machen würde, wenn sie „diesen Herrn“ auf der Straße treffen würde? „Das“, so die 97jährige mit einem Lächeln „würde sie aber jetzt nicht vor laufender Kamera sagen....“