april 2002

Doc Holliday

„Mir ist nicht bange.“

Helmut Hüttinger klärt einige Positionen der Salzburger Bürgerliste und blickt unverzagt in die Zukunft.

Eine zentrale Frage, die sich interessierten Beobachtern der politischen Landschaft in der Mozartstadt in den letzten Wochen immer wieder gestellt hat, betrifft die momentane Befindlichkeit sowie die Zukunftsperspektiven der Bürgerliste (BL). Dabei kann die Partei, die in den 70er Jahren aus dem Zusammenschluss einzelner Bürgerinitiativen entstanden war, auf eine inzwischen 25 Jahre dauernde Vertretung im Gemeinderat zurückblicken. Was die BL locker zu den stärksten Grünen in einer Landeshauptstadt und österreichweit zu einem einmaligen Vorzeigemodell macht.

Gut in Erinnerung ist noch die Auseinandersetzung um die Neugestaltung des Makartplatzes, die in einer von der FPÖ und BL initiierten Bürgerbefragung ihr wenig rühmliches Ende fand: Von den wenigen, die überhaupt zur Abstimmung gingen (unter zwei Prozent der Stimmberechtigten), votierten bloß 57 Prozent für die Verkehrsberuhigung. Die Ablehnungsquote des Garagenbaus betrug 1,5 Prozent. Freilich sieht BL-Klubchef Helmut Hüttinger im Verhalten seiner Fraktion - im Unterschied zu den meisten politischen Kommentatoren - nicht nur schwere strategische und taktische Fehler. Einen Patzer konzediert Hüttinger. Die Malaise begann mit der ursprünglichen Zustimmung der BL zum Projekt der Tiefgarage unter dem Makartplatz. Dies sei, so der Fraktionschef, der erste und entscheidende Lapsus gewesen. Im zentralen Innenstadtbereich für eine Tiefgarage zu optieren, habe einen falschen verkehrspolitischen Eindruck erweckt. Dieser Fehler konnte schlicht nicht mehr ausgebügelt werden. Als Gesamteindruck nach außen bleibt das Larvieren der Stadt-Grünen und ihr Anhängen an die FPÖ übrig. Shit Happens. Hüttinger: „Jede Entscheidung muss einfach noch viel intensiver hinterfragt werden“.

Ein weiteres Problem scheint die BL mit der eher dünnen Personaldecke zu haben. In der öffentlichen Wahrnehmung dominieren zwei Politiker: Planungsstadtrat Johann Padutsch und Klubchef Hüttinger. Dieser lädt im Gespräch alle Interessierten, die sich mit den drei zentralen Grundprinzipien grüner Politik - sozial, demokratisch, ökologisch - identifizieren können, zur Mitarbeit in der Partei ein. Ganz allgemein glaubt Hüttinger, dass in den vergangenen Jahren gravierende Veränderungen im politischen Bewusstsein der Bürger eingetreten sind. Stichwort: Neues Biedermeier. Das noch in den 80ern vorhandene Interesse an größeren politischen Themen habe sich verflüchtigt.

Eine prekäre Situation für die BL: Wo und wie rekrutiert man den Nachwuchs, wenn nicht shanghaien. Im Unterschied zu den alteingesessenen Parteien, verfügen die Grünen über keine Vorfeldorganisationen. In den zahlreichen Initiativen (Stadiongegner, Attac...), die klassische Felder grüner Politik beackern, werkeln zwar Sympathisanten oder Mitglieder, aber in der Regel wollen diese Basisbewegungen keine direkte Einflussnahme von irgendeiner Partei. Zu einigen Personen - Namen will der Klubchef keine nennen - bestünden schon Kontakte, um auch für die Funktionsperiode nach der nächsten Gemeinderatswahl 2004 gerüstet zu sein. Hüttingers Gelassenheit in der Personalfrage mag auf zwei Säulen beruhen: Der von ihm wiederholt geäußerten Binsenweisheit, dass jeder ersetzbar ist, und der Besinnung auf die eigene Geschichte. Schließlich befand sich die BL Ende der 80er Jahre bereits einmal in grober Personalnot, als praktisch die ganze Mannschaft, an der Spitze Herbert Fux und Johannes Voggenhuber, desertierte. Trotzdem stieg sofort ein neues Team mit damals noch unbekannten Namen (Johann Padutsch, Elisabeth Moser ...) wie ein Phönix aus der Asche.

Ein prinzipielles Dilemma grüner Politik bleibt der ewige Spagat zwischen Reformvorhaben und (zumindest verhaltener) Systemkritik. Ersteres ist natürlich gerade auf kommunaler Ebene unverzichtbar. Auf die Systemkritik aber gänzlich zu vergessen, lässt jede Vision absterben. Was etwa die fürchterliche Politik der deutschen Grünen für einen Schaden bei den heimischen Ökopaxen zeitigt, und ob aus dem deutschen Trauerspiel die richtigen Konsequenzen gezogen werden, wird die Zukunft weisen.