april 2002

Gerald Gröchenig
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...hoffen, dass uns niemand sieht.

Der ehemalige Leiter der Salzburger Land Tourismus GesmbH, Martin Uitz, im »kunstfehler«-Gespräch über das Internationale Jahr der Berge«, die Alpinismus-Ausstellung, Guggenheim und Nachhaltigkeit im Tourismus

Martin Uitz, wo lagen eigentlich deiner Ansicht nach die Fehler der Alpinismus-Ausstellung?

Es war einfach ein Fehler zu sagen: „Liebes Land, wir machen dir die billigste Landesausstellung aller Zeiten.“ Wenn die Ausstellung nur die Hälfte dessen, was durchschnittlich eine Landesausstellung von öffentlicher Seite bekommt, zur Verfügung gehabt hätte, hätte sie einen dicken Gewinn geschrieben. Ein Fehler war eine Fehleinschätzung des möglichen Besucherpotentials auf diesem Standort, obwohl wir mit annähernd 150.000 Besuchern auch nicht so schlecht besucht waren. Ein weiterer großer Fehler war sicher, dass sich das Land auf die Hinrichtung des Geschäftsführers und auf Schuldzuweisungen konzentriert hat, anstatt mit dem Blick auf das »Internationale Jahr der Berge« an das Projekt anzudocken. Was Österreich heute zu diesem Thema anzubieten hat, ist für ein Alpinland par excellence einfach lächerlich. Man muss sagen, dass Kyrgisien und Tadschikistan da mehr machen. Wenn man schaut, was die Schweiz oder Südtirol dafür bereitstellen, da können wir uns wirklich nur in der hintersten Reihe verstecken und hoffen, dass uns niemand sieht.

Wie siehst du das Verhältnis der SLT zur Politik des Landes?

Das Land hat mit 40 Prozent Gesellschaftsanteil immer die Rolle des stärksten Gesellschafters und größten Geldgebers in der SLT. Ich habe dort unter Gasteiger dreizehn sehr schöne Jahre erlebt, wo Kreativität und vor allem auch Neues, unkonventionelle Ideen, die Erschließung neuer Geschäftsfelder erwünscht waren. Und ich habe die letzten zwei Jahre erlebt, wo die Losung geheißen hat „Zurück auf die Kernaufgaben“, „Alles andere sein lassen“, „Wenn es irgendwo geht, alles einsparen“. Ich habe nur mehr Vorträge darüber erlebt, was man alles nicht machen soll. Das war für mich persönlich sehr frustrierend.

Wie geht es einem, der politisch ein Konzept der Nachhaltigkeit vertritt und als Gegenüber Hoteliers vor sich hat, die sich eher am kurzfristigen finanziellen Erfolg orientieren?

Ich glaube, dass dieser gelungene Schulterschluss die wirkliche Leistung der SLT gewesen ist. Wir waren die Ersten, die in ein Marketingkonzept etwas von Ökologie hineingeschrieben haben. Auf dem Gebiet der Wintersporterschließungen ist Salzburg das Vorzeigeland in den letzten 15 Jahren gewesen. Die Einigung, keine neuen Schiräume zu erschließen, ist ein ganz großes, auch politisches Verdienst, bei dem Seilbahnwirtschaft wie auch die Beherberger erkannt haben, dass es dabei nicht nur um Beschränkung geht, man sichert sich damit auch eine Position am Markt sowie ein gewisses Preisniveau.

Ich bin sehr froh, dass sich zumindest wesentliche Politiker auch weiterhin gegen eine ökologisch wirklich katastrophale Erschließung des Wurtenkeeses durch das Nationalparkgebiet wehren. Das wäre nämlich der klassische Tabubruch, und wenn das passiert, dann könnte auch ein Dammbruch passieren, so wie es in Tirol geschehen ist.

Wo steht im Konzept der Nachhaltigkeit Olympia?

Olympia steht für mich unter einer ganz großen Überschrift und die heißt: Das Image Salzburgs, der Stadt und des Landes als Wintersportdestination.

Das ist eigenartigerweise ein Schwachpunkt, obwohl die Wintersaison mit großem Abstand der wirtschaftlich wichtigste Teilbereich des Tourismus bei uns ist. Das hängt damit zusammen, dass Wertschöpfung und Nachfrage sehr hoch sind.

Eigenartig ist, dass Salzburg verglichen mit klassischen Wintersportregionen wie Tirol oder Graubünden ganz eindeutig ein schwaches Image hat. Olympia brächte da mit Sicherheit eine globale Markierung als klassische Winterdestination.

Eine Schwachstelle scheint derzeit der Sommer-Tourismus zu sein?

Man muss zum Sommertourismus ganz deutlich sagen: da wird seit etwa zwei Jahren eine bewusste Selbstbelügung betrieben. Früher hat man die vielkritisierte Nächtigungsstatistik zur Messlatte gemacht, man hat geschaut, wie viele Nächtigungen sind im Vergleich zum Vorjahr angefallen. Seit dem Sommer 2000, wo ein dramatischer Nächtigungseinbruch stattgefunden hat, werden nur mehr Umsatzzahlen veröffentlicht. Umsatzzahlen sind immer angenehmer, weil sie einerseits durch die Inflation, andererseits durch den permanenten Trend zu besserer Qualität praktisch selber erhöhen. Faktum ist, dass die Zahlen der Sommernächtigungen nach einem Zwischenhoch am Anfang der Neunzigerjahre permanent zurückgegangen sind. Und es gibt kein Zeichen an der Wand, dass sich das ändert.

Wie sollte man da entgegensteuern?

Meine persönliche Meinung ist, die Richtung kann nur heißen: die Alpen sind der letzte große weitgehend unzerstörte Naturraum in Europa und müssen als solcher bewahrt und auch vermarktet werden. Es geht nicht darum, im Sommer eine Fülle von neuen Attraktionen zu schaffen. Ich würde mich im Sommer auch angesichts der Bevölkerungsentwicklung auf eine ältere Zielgruppe konzentrieren, und dieser älteren Zielgruppe eine hundertprozentig intakte und geschützte Natur, eine angenehme Form der körperlichen und seelischen Erholung und nicht zuletzt auch die Abwesenheit von Massentourismus versprechen.

Wie hat sich die schwarz-blaue Regierung auf den Tourismus ausgewirkt?

Hier ist die zentrale Frage, ob der Imageschaden, der zweifellos eingetreten ist, nachhaltig sein wird oder nicht. Wir haben in diesem Jahr 2000 zweistellige Rückgänge gehabt, insbesondere bei Gästen aus den BENELUX-Staaten und aus Frankreich, aber immerhin auch 7,5 Prozent aus Deutschland. Zweifellos braucht ein Land, das in so hohem Maß vom Tourismus lebt wie Österreich, hohe Sympathiewerte bei den möglichen Reisenden. Und genau diese Sympathiewerte müsste man eruieren. Es wäre interessant, in den wichtigsten Herkunftsländern zu untersuchen, ob es aus dieser politischen Konstellation heraus eine relevante Veränderung des Images und möglicherweise auch ein relevantes Ausbleiben eines Teiles potenzieller Reisender gibt.

Reichen Festspiele und Mozart für das Kulturimage Salzburgs?

Für die Stadt Salzburg wäre eine großzügige Variante des Museum im Berg als zweiter Schwerpunkt neben Mozart ein nachhaltiger Garant für einen Ausbau der Position als Kulturstadt gewesen. Die eher provinzielle Art, wie man mit dem Projekt umgegangen ist, hat uns sehr geschadet. Wenn man sieht, was in Bilbao passiert ist, dann kann man ahnen, was in Salzburg möglich gewesen wäre. Das wäre eine wunderschöne Ergänzung gewesen, weil man ja mit den Festspielen wirklich eine jährliche wiederkehrende Weltsensation hat. Man hätte einen zweiten Schwerpunkt, der für Jahrzehnte die Position Salzburgs absichern würde.

Wie wirkt sich die Arbeit von Kulturvereinigungen, auch am Land, auf den Tourismus aus?

Ich glaube, dass eine erfolgreiche Förderung kultureller Aktivitäten dazu beiträgt, die Erlebnisqualität des Urlaubs der anwesenden Gäste zu fördern. Es gibt relativ wenige Beispiele, dass Kulturveranstaltungen einen nachhaltigen Touristenstrom auslösen. Zum Jazzfestival nach Saalfelden reisen viele Leute an, daraus entsteht aber nicht eine nachhaltige Nachfrage nach Urlaub am Steinernen Meer. Das ist ein willkommener Zusatznutzen. Ich bedauere es z.B. sehr, dass die »Gratwanderung« in Piesendorf an wirklich kleingeistigen Streitigkeiten im Ort eingegangen ist. Auch die Seebühne Zell am See mit ihren Musicals war aus der Sicht der Qualität des Aufenthalts der Gäste äußerst erfolgreich. Ich habe es für unvertretbar gehalten, dass sich das Land aus dieser Förderung einfach verabschiedet hat.

Was machst du jetzt gerade und wo geht’s in der Zukunft hin?

Ich studiere grad wieder Politikwissenschaft, ein Studium, das ich vor 25 Jahren abgebrochen hab. Ich freu mich da einfach drauf, auch auf den sehr wichtigen Kontakt mit jungen Leuten. Die findet man in meinem Alter nicht mehr automatisch als Gesprächspartner.

Ich hab einige für mich sehr spannende und ehrenvolle Angebote im Bereich von EU-Strukturprogrammen mit den Beitrittsländern. Wenn ich touristisch in Zukunft etwas machen möchte, dann dort, wo der Tourismus zu einer europäischen Integration, zum Abbau von Einkommensunterschieden, zum Abbau von Grenzen, die gerade erst gefallen sind und schon wieder aufgebaut werden sollen, beiträgt. Wenn ich mir die Frage nach einer Lebensbilanz stelle, dann spielt das eine wichtigere Rolle als die Frage von zwei Prozent Wachstum in der Nächtigungsstatistik eines hochentwickelten Tourismuslandes.