märz 2002

Doc Holliday
zu gast

Zwei Radios auf 107,5 Mhz

In medienpolitisch finsteren Zeiten, in denen der ORF mit Jagdschein betrieben wird und sich im öffentlich-rechtlichen Programm kaum noch inhaltlich oder formal Spannendes und Kontroversielles findet (Ausnahmen in Ö 1 und FM 4 bestätigen die Regel), liegt ein Gast ganz besonders in der Luft: Die Wellenlänge 107,5 Mhz, die sich seit 6. 1. das Cityradio und die Radiofabrik teilen. Ersteres ist ein kommerziell ausgerichteter Privatsender, den die »Objekt-Werbung«, eine Tochtergesellschaft der Salzburg AG, verantwortet. Die Radiofabrik versteht sich als das „werbefreie und garantiert unzensurierte freie Radio für Salzburg“, das in Ansätzen die Radiotheorie Bertolt Brechts (aus Empfängern sollen potentielle Sender werden) umzusetzen versucht. Inwieweit passen diese völlig unterschiedlichen Medienkonzepte zusammen? An Wochentagen bietet die Zeit unmittelbar vor und nach 18 Uhr (»Mikrophonübergabe« von City an Fabrik) Gelegenheit zum direkten Vergleich der beiden Stationen. Eine Momentaufnahme von Anfang Februar:

Cityradio wie Radiofabrik geizen nicht mit unmotivierten Pausen, Versprechern oder Moderationen, die im Nirwana enden. Dieser Dilettantismus oder (ideologisch erklärbarer?) Mangel an Perfektion und Glätte sorgt immerhin für (unbeabsichtigte) Komik.

In puncto Musikauswahl hält sich das Cityradio an das Rezept von Ö3 oder Welle 1: Ein ebenso uninspirierter wie beliebiger Mix, der den großspurigen sendereigenen Slogan »Wo Musik passiert« zur gefährlichen Drohung mutieren lässt. Dem Moderator fehlen offenbar die notwendigen Grundvoraussetzungen eines Schallplattenunterhalters, nämlich einerseits die Passion für Klänge, andererseits grundlegende Kenntnisse von Musikgeschichte und englischer Aussprache (aus Blood, Sweat & Tears wird Blood, Sweet &... für die Tränen in den Augen der Hörer ist gesorgt!).

Die Radiofabrikler lassen Stilvielfalt nicht missen. Heimischer Rock, Popklassiker, Latin, Funk, Reggae, Hip Hop... geben einen würdigen Soundtrack für Reportagen, Interviews oder Veranstaltungshinweise ab. Letztere haben noch den unschlagbaren Vorteil, dass sie in der Regel stimmen. Was von den Filmtipps im Cityradio nicht immer behauptet werden kann. Spätestens hier verliert die mangelnde Professionalität ihren vorübergehenden Charme. Die korrekte Wiedergabe einer Presseaussendung sollte auch für Radiofrischlinge zum kleinen Einmaleins gehören. Statt mit solchen Nebensächlichkeiten Zeit zu verlieren, belästigt mit wahrhaft entnervender Penetranz ein Cityradio-Jingle die letzten wackeren Hörer: „Ich bin, du bist, er, sie ist, wir sind ...die City“. Hybris lass nach!