märz 2002

Michael Kolnberger

Zum 20. Todesjahr von Gerold Foidl

Der am 28. April in Lienz/Osttirol geborene Schriftsteller Gerold Foidl, dessen schmales Werk einer jüngeren LeserInnenschaft wohl weitläufig unbekannt ist, starb am 29. März 1982 im Sonderkrankenhaus Grafenhof an Lungenkrebs.

Sein Leben war tiefschürfend geprägt von Kindheitstraumata einer Nachkriegsgeneration in einem streng autoritären Umfeld seiner Familie. Seine Mutter, die er 1961 früh durch einen Autounfall verlor, musste eine von der alles beherrschenden Großmutter verfügte und vom eigenen Bruder durchgeführte Zwangsabtreibung über sich ergehen lassen, sein aus dem Krieg zurückgekommener Vater verbaute ihm jede künstlerische Entwicklung. Foidl begann schon früh zu schreiben, sein rigider Vater, ein utilitaristischer Pragmatiker verbrannte seine ersten Aufzeichnungen. Ergebnis dieser Erziehungsmethoden waren epileptische Anfälle und psychische Probleme beim Sprechen. Hier liegen die Wurzeln seiner Einsamkeitsmetaphern, die so prägend für seine literarische Arbeit sind. Mit vierzehn Jahren verfügte die Familie eine Zwangseinweisung in die Psychiatrie, in der er mit Elektroschocks und falschen Medikamentendosierungen behandelt wurde.

Trotzdem absolvierte er die Handelsschule, arbeitete als Zolldeklarant in Innsbruck (Begegnung mit Felix Mitterer) und in Reutte in Tirol. Daraufhin ging er nach Wien und beendete mit 35 Jahren seine Berufslaufbahn aufgrund gesundheitlicher Probleme.

Anfang der siebziger Jahre ließ er sich in Salzburg nieder und versuchte als freier Schriftsteller einen neuen Weg zu gehen. Obwohl immer in wirtschaftlich sehr angespannten Situationen lebend (er bekam nur kleine Stipendien und etwas Sozialbeihilfe) wurde seine erste Publikation, der autobiographische Roman »Der Richtsaal. Ein Hergang« ein beachtlicher literarischer Erfolg. Der Fischer Verlag druckte eine Taschenbuchausgabe. Foidl wurde zum Obmann der Salzburger Autorengruppe gewählt und nahm in dieser Funktion auch am ersten und bislang einzigen österreichischen Schriftstellerkongress in Wien teil (1981), schon im Bewusstsein seiner unheilbaren Krebserkrankung. Der geplante fiktionale Text mit dem Arbeitstitel »Ein unsichtbares Gefängnis« war Foidls verzweifelter Versuch gegen sein Schicksal anzuschreiben. Ein Schrei nach Anerkennung und Geliebtwerden, der leider nicht aufmerksam genug gehört wurde. Foidl lebte in Salzburg zwischen seiner Wohnung in der Linzergasse und einigen öffentlichen Lokalen, er war ein sehr verschlossener und kaum zugänglicher Mensch, der aber dafür ein messerscharfer Beobachter der Gesellschaft war. Sein aufwühlender Text ist ein wertvolles Dokument über Außenseiter in einer Stadt wie Salzburg, noch dazu in einer Zeit, wo es kaum alternative Kultureinrichtungen gegeben hat. Das Kulturgelände im Nonntal und andere Wärmeinseln der Stadt hat er nicht mehr erleben dürfen.

Nach seinem frühen Tod rettete Dorothea Macheiner, eine noch heute in Salzburg lebende und schreibende Autorin, seine Schriften vor dem vernichtenden Zugriff seiner Familie, der er immer fremd geblieben ist. Durch ihre Vermittlung geriet diese Text in die Hände von Peter Handke, der diesen mit dem endgültigen Titel »Scheinbare Nähe« zum Suhrkamp Verlag brachte. Die 1985 erschienene Taschenbuchausgabe ist leider vergriffen. Sein erster Roman und der Band »Standhalten« sind 1998 im Skarabäus Verlag erschienen und lieferbar.

Der Gedenktag am 22.März im Salzburger Literaturhaus will das Leben und Werk von Gerold Foidl wieder aufleben lassen. Dadurch entstand die Idee einen Dokumentarfilm zu produzieren, der Zeitzeugen befragt und Foidls Leben und Schreiben reflektiert. Eine vom Drehbuchschreiber und Produzenten angestrebte Koproduktion mit dem ORF Salzburg kam leider nicht zustande. Die Kulturämter der Stadt Salzburg und des Landes sowie der Kulturfond der Salzburger Sparkasse haben ein Zustandekommen des Films ermöglicht. Der Bund gibt auch einen kleinen Beitrag, um das Andenken an Gerold Foidl zu gewährleisten.

Der Gedenktag im Literaturhaus wird neben der Filmuraufführung mit einer Lesung aus seinen Werken und einer literaturwissenschaftlichen Reflexion abgerundet. Ziel des Abends ist eine Wiederauflage der »Scheinbaren Nähe« zu erreichen und zu einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung anzuregen.