märz 2002

Wiglaf Droste

Brezel Bush und das nützliche Böse

Man muss kein Anhänger von Verschwörungstheorien sein, um beim Betrachten undurchsichtiger Vorgänge auch die gute alte Frage zu stellen: „Wem nützt das?“ Die Anschläge vom 11. September 2001 haben diverse Nutznießer; einer von ihnen bekannte schon Anfang Januar: „Wenn sich unsere Nation im Krieg befindet, lesen die Amerikaner häufiger in der Bibel und hören mehr Country-Musik.“ So schlicht freute sich Garth Brooks, Superstar der Retorten-Country-Musik aus Nashville und kommerziell erfolgreichster Solomusiker aller Zeiten. Der 39-jährige Propagandist gesunder Werte für die ganze amerikanische Familie erklärte in einem Aufwasch auch gleich die Welt und ihren Lauf: „Wir schaffen jetzt in Afghanistan Ordnung und dann kommen die anderen Länder dran. Das sieht doch bis jetzt ganz gut aus. Das kriegen unsere Jungs da unten schon hin.“

Ein paar Wochen später sprach George W. Bush zur amerikanischen Nation, und seine Rede unterschied sich kein Jota von Brooks’ heimatlichem Bocksgesang: Die anderen Länder, die, hübsch formuliert, „jetzt drankommen“ wie in der Schulklasse, Irak, Nordkorea und Iran, bilden laut Bush die „Achse des Bösen“, die zerdullert werden muss. So bleibt der Verteidigungsfall bestehen und Amerika im Krieg. Das ist praktisch: Führt man die Situation des permanenten Ausnahmezustandes herbei, kann man hysterische Sicherheitsgesetze und gigantische Rüstungsetats nahezu widerstandsfrei durchdrücken.

George W. Bush ist ein Mann, der Schwierigkeiten hat, eine Brezel zu essen, ohne sich dabei das Gesicht zu ruinieren. Philip Roth sagt über ihn, dass „er nicht mal einen simplen Aussagesatz richtig hinbekommt“, und Gore Vidal konstatiert, dass Bush mehr und mehr dem Äffchen auf dem Leierkasten gleicht. Immer lauter muß Brezel Bush das Immergleiche in die Welt schreien, den Kreuzzug gegen »das Böse«, das mechanische »drop a few bombs«, das eigene Großheldentum, das Herabsetzen von kriegsgefangenen Gegnern zu Schurken, die mit Folterhaft noch gut bedient sind, das Zusammenrücken der Nation, die an der begeistert behaupteten Generalbedrohtheit wiedererstarkt. Bush begründet seine Politik, frei nach Roland Koch, mit brutalstmöglicher Anti-Aufklärung.

Und die ulkigen Verbündeten? Selbst der geübte Krieg-muss-sein-Demagoge Joseph Fischer weiß nicht, wie er die Führung und Bezahlung eines unbefristeten Krieges schönreden soll; lächelnd steht Fischer neben seinem Kollegen Berlusconi und geht ein halbes Bisschen auf Distanz zu neuen Kriegsvorhaben. Auch die publizistischen Pogromstimmungskanonen, die in den letzten Monaten jedem Kriegsskeptiker naive Dummheit oder miese Motive unterstellten, sind unsicher geworden, ob das Appeasement gegenüber George W. Bush noch lohnt oder ob man umsatteln soll. „Hofschranzen, die der herrschenden Politik ein gutes Gewissen geben“, nannte der französische Soziologe Pierre Bourdieu diese Existenzen. Wie die von ihnen propagierten Politiker sind sie Öl im Getriebe, trostlose Claqueure ihrer selbst und ihres Statusgewinns.

Die US-Militärs gaben inzwischen zu, seit Monaten keine Spur mehr von Ussama bin Laden zu haben. Das große Kriegsziel Nummer eins? Perdü. Das Gegenteil von Logik ist militärische Logik und kulminiert im Befehl: weitermachen! Garth Brooks hat längst Haltung angenommen: „Es ist nun mal so, dass man töten muss, um Frieden zu erreichen. Wenn sie mich als Reservisten einzögen, wäre ich sofort dabei. Aber ich sage auch: Wir müssen mit den den Leuten dort unten reden. Sie lediglich zu bombardieren löst kein Problem.“ Wie günstig: Wer zur Sicherheit kaltgemacht wurde, kann anschließend weder mitreden noch widersprechen. So sieht der ideale Gesprächspartner aus.