märz 2002

Doc Holliday
grausame orte

Künstliche Höllen im Himmelreich

Nicht nur die Stadt Salzburg schmückt sich mit grauslichen Bauten. Eine kurze Fahrt an die Peripherie liefert den Beweis: Das Airport-Center und die unmittelbar benachbarten Gebäudekomplexe, die zur Gemeinde Wals gehören, bilden seit der Fertigstellung im November 1993 mit 70 Geschäften, mehreren Restaurants, Tiefgaragen, Fitness-Center, Sex-Shop, Kindergarten, Hotel, Multiplexx-Kino und den bestens beleumundeten Discotheken ein – so die Architektensprache – „multifunktionales Zentrum“. Mit 106.832 Quadratmeter bebauter und 388.046 Quadratmeter umbauter Fläche, gilt diese Shopping-Mall derzeit als viertgrößte in Österreich. Das Prinzip der Einkaufsdorados liegt auf der Hand: Gerade dort, wo – wie im Himmelreich – weit und breit nichts los war, soll ein „selbstständiger urbaner Komplex“ entstehen. Im Fall des Airport-Center erinnert das Ergebnis aber eher an eines dieser unsäglichen Dorferneuerungsprojekte. Da hilft kein Bauernmarkt oder die Pseudorustikalität des „k&k-Post“-Lokals. Eng, finster und unübersichtlich präsentieren sich die freudlosen Gassen. (Fenster stören in den Konsumfestungen: Die Wände werden zur Ausstellung der Waren benötigt).

Dagegen erscheint der Taxhamer Europark als der helle Wahnsinn. In den »Europark-News« 13/97 heißt es treffend: „Da der Europark wie kein anderes Einkaufszentrum mit Tageslicht und Frischluft durchflutet ist, fühlen sich die Besucher so wohl, dass viele von ihnen am liebsten den ganzen Tag hier wären“. Nichts anderes wollen die Designer dieser synthetischen Urbanität erreichen. Welch ausgeklügelte Strategien eingesetzt werden, zeigt ein sehenswerter Dokumentarfilm: In »Die Schöpfer der Einkaufswelten« beobachtet der Berliner Regisseur Harun Farocki kommentarlos die Gespräche der Planer von Shopping-Malls. Psychologen messen mittels Pupillen-Screening die bevorzugte Blickrichtung der Durchschnittskonsumenten beim Betreten der Malls. Zahlreiche Methoden und Techniken entlehnen die Planer aus der Militär- und Kriegsindustrie. Das reicht von den Überwachungskameras, die vor allem auch für Erhebungen über Besucherfrequenz und Einkaufsgewohnheiten genutzt werden, bis zu Telescannern für die Warenlager und elektronischen Verkaufssteuerungsapparaten. Supermarkt und Krieg haben viel gemeinsam. Den Kampf um die Kunden und - womit wir wieder im Himmelreich wären - das beliebte Stechen, Hauen und Treten in und vor den Discos. Letzteres beeinträchtigt das Bild der heilen Stadt, dieses »Entenhausen-Prinzip«, das die Designer der künstlichen Welten anstreben, doch erheblich. Wenn erst einmal auch die Menschen künstlich sind, nicht nur die Palmen, Lichtquellen und Aufregungen, dann gibt es solche Betriebsstörungen nicht mehr.