jänner-februar 2002

Heinz Kaiser
gelesen

Das Salzburger Kulturlexikon

Nach der Erstausgabe im Jahre 1987 erschien vor wenigen Wochen die Neuauflage des Salzburger Kulturlexikons. Ohne Zweifel beeindruckt auf den ersten Blick der Umfang des Werkes – die Stichwörter zum vergangenen und gegenwärtigen kulturellen Geschehen des Landes Salzburg füllen mehr als 500 Seiten. Die zwei Herausgeber Adolf Haslinger und Peter Mittermayr nennen im Vorwort ihre Intention bzw. ihren

Anspruch: die Kultur des Landes Salzburg in Vergangenheit und Gegenwart darzustellen, wobei unter Kultur das künstlerische und wissenschaftliche Schaffen und Wirken verstanden wird. Es liegt in der verdienstvollen Absicht der Herausgeber, „Salzburg-Klischees abzubauen“, um andererseits mit „selbstbewusstem Nachdruck die spezielle Strahlkraft dieser kulturellen Provinz Salzburg in ihrem wahrlich vielfältigen Reichtum zu präsentieren.“ Wahrscheinlich rechtfertigt sich auf diese Weise eine Eintragung zu »Konsalik«. Wie sehr man aber der Strahlkraft der Klischees vertraut, lässt sich daran ermessen, dass der neunseitige Beitrag zu den Salzburger Festspielen der längste ist.

Die dem lexikalischen Teil vorangestellten Aufsätze zu den Sachgebieten Architektur und bildende Kunst, Archäologie, Literatur, Musik, Volkskultur sowie Wissenschaft und Technik sind als Einleitung gedacht und dementsprechend kurz; mehr als ein doch sehr grober Überblick wird nicht geleistet und der Leser erhofft zu Recht, sich anhand der Stichworte Klarheit über die Kultur Salzburgs verschaffen zu können. Darüber hinaus wird versprochen, dem Redaktionsschluss entsprechend, der mit Ende 2000 angegeben wird, gewissermaßen »top-aktuelle« Daten und Fakten zu liefern.

Was liegt näher, als in einem Kulturlexikon neugierig bei den Eintragungen unter „Kultur“ nachzuschlagen und sich im Besonderen jenem Stichwort zuzuwenden, das für das, was man Kulturleben nennt, von besonderer Bedeutung ist – den »Kultur-initiativen«. Gut zwei Seiten reichen aus, um dieses in den 70er Jahren wurzelnde Phänomen darzustellen; angesichts von 60 Kulturvereinen knapp bemessen, noch dazu, da es gilt, auch die größte Kulturinitiative Westösterreichs, die ARGE Kulturgelände Nonntal, unterzubringen. Dafür werden sich die ehemaligen Betreiber des Pinzgauer Kulturvereines »Naguna« wundern, weil laut Lexikon ihr vor zehn Jahren stillgelegter Betrieb immer noch besteht! Und dass das Programm von »Das Zentrum« in Radstadt „mehr auf einen traditionellen Kulturbegriff abgestimmt“ wäre, bei den Pinzgauer Kulturinitiativen wie der Galerie Schloss Rosenberg oder dem Jazzfestival Saalfelden die „besonders intensive Pflege der Regionalkultur“ im Vordergrund stehe und für den seit 1981 agierenden Kulturverein Schloss Goldegg ein einziger Satz genügt, befremdet aber doch sehr. Initiativen hingegen, die der Kategorie Musik zuzuordnen sind – Jazzfestival Saalfelden, Rockhouse Salzburg, Zeitfluss, Aspekte oder Mittersiller Komponistenforum –, werden mit einem Querverweis bedacht, ihrem Profil entsprechend beschrieben und erhalten dadurch jenen Stellenwert, der ihnen zusteht. Was für einzelne Sparten wie eben die Musik oder die vom Herausgeber und Germanisten Haslinger betreute Literatur zutrifft, lässt sich für die bildende Kunst leider nicht behaupten. So ist zum Beispiel der mit beachtlichen 150.000 S dotierte Anton-Faistauer-Preis für Malerei genauso wenig ein Thema wie der Preis für Keramik oder der mit 70.000 S dotierte Preis der Karl-Weiser-Stiftung. Dass der Ende Jänner 2001 vergebene und aus kulturpolitischer Sicht brisante »Grosse Kunstpreis des Landes Salzburg« ebenso ungenannt bleibt, lässt sich mit dem Redaktionsschluss nur ungenügend erklären. Kein bildender Künstler, jünger als 45 Jahre, ist vermerkt. In dieser Hinsicht zeichnet das Kulturlexikon das Bild von einem erstarrten Land, das sich den innovativen Ausdrucksformen der Kunst des 20. Jahrhunderts gänzlich verschlossen hätte. Tröstlich, dass wenigstens die »Fotografie« und die »Filmgeschichte« mit einem ausführlichen Beitrag vertreten sind. Salzburg, so hat es den Anschein, ist ein Land der Tradition und die Volkskultur ein gewichtiges Sachgebiet: ausführliche Kommentare zu »Bauernmöbel«, »Tracht«, oder »Weihnachtsbräuche« zeigen analog zu den Sparten »Musik« und »Literatur« eine konzise Bearbeitung. Weiters registriert man mit Erstaunen Einträge wie »Pädagogisches Institut« oder »Volkshochschule«, findet den als österreichischen Pestalozzi bezeichneten Pädagogen F.M. Vierthaler, sucht man aber nach Veranstaltungen wie »Pädagogische Werktagung«, »Goldegger Dialoge« oder »Salzburger Humanismusgespräche« – Veranstaltungen, die sich aufgrund ihrer jahrzehntelangen Konsequenz und unbestrittenen, in den diesbezüglichen Publikationen und Tagungsbänden nachprüfbaren Qualität gewissermaßen institutionalisiert haben, wird man nicht fündig. Ein Manko, das schwer entschuldbar ist, da es ja eben Initiativen dieser Art sind, die rechtfertigen, von einem Kulturleben zu sprechen.

Die Erstellung eines Lexikons mag undankbar sein, da es in der Natur dieses Mediums liegt, in gleicher Weise an Aktualität zu verlieren wie eine Tageszeitung. Aber ob Friedrich Nietzsches wohlbekanntes Statement: „Ich will ein für allemal vieles nicht wissen“ ein Trost für die da und dort unübersehbaren Lücken ist, sei dahingestellt...