jänner-februar 2002

Doc Holliday
geschaut

Postkarten gegen das Vergessen

Das Projekt »Unschärfen« und die Gegenwart nationalsozialistischer Vergangenheit in Salzburg

Geschichte wird nicht nur gemacht. Mitunter wird sie sogar mittels kritischer Hinterfragung aufgearbeitet. Jeder Ort, also auch Salzburg, ist voller Zeichen (etwa in Form von Skulpturen, Denkmälern, Inschriften, Straßennamen), deren ursprüngliche Bedeutungen (und die damit einhergehenden Konnotationen, die bis in die Gegenwart wirken) erst einmal dechiffriert und deutlich ausgesprochen werden müssen.

In diesem Sinne versteht sich das Projekt »Unschärfen – Zur Gegenwart nationalsozialistischer Vergangenheit in Salzburg«. Ziel einer Edition von acht Postkarten ist die kritische Auseinandersetzung mit den braunen Überbleibseln. Der Initiator David Brenner, SP-Landtagsabgeordneter und Leiter des Salzburger Renner-Institutes, erklärt die Motive für die Geschichtsnachhilfestunde: „Mehr als 50 Jahre nach Ende der NS-Herrschaft finden sich in Salzburg noch immer Spuren, die einen fragwürdigen Umgang mit dieser menschenverachtenden Epoche der Geschichte darstellen. Sie schreiben unreflektiert Werte des Nationalsozialismus fort oder ehren Personen, die dieses Regime aktiv mitgetragen haben“. Vielfach wurden diese Zeichen erst in der Zweiten Republik gesetzt. Freilich sollen mit dem Aufdecken der Peinlichkeiten keine Anklagen erhoben oder „den Bewohnern Salzburgs Rechtslastigkeit vorgeworfen“ werden. Vielmehr, so Brenner, gelte es „der Gefahr entgegenzuarbeiten, dass jene Ideologie und ihre Symboliken irgendwann einfach nicht mehr wahrgenommen und als Bestandteil des politischen Spektrums akzeptiert werden“.

Die Idee zu dieser Geschichtsaufarbeitung entstand bereits 1996, als die Sozialistische Jugend (mit ihrem damaligen Vorsitzenden David Brenner) die »Braune Flecken«-Kampagne führte. Was seinerzeit noch politisch pointiert formuliert wurde, soll nunmehr strikt sachlich und allgemein verständlich präsentiert werden.

Die Einlösung dieses Anspruches garantiert ein Team, bestehend aus drei HistorikerInnen (Christian Flanderer, Ingrid Bauer, Peter Gutschner), die für die begleitenden, auf den Rückseiten der acht Postkarten abgedruckten Texte verantwortlich zeichnen. Auf der Vorderseite befinden sich die acht ausgewählten Objekte. Je einer dieser belasteten Orte wurde von einem der acht Fotografen, die aus dem Umfeld des Salzburger Fotohofs kommen, abgelichtet.

Dieses einmalige Projekt, das Wissenschaft und Kunst auf vorbildhafte Weise synergetisch verbindet, konnte nur realisiert werden, weil alle Beteiligten, angefangen beim Verantwortlichen des Fotohofs, Rainer Igler, über die Fotografen bis zu den HistorikerInnen, ihre Dienste unentgeltlich zur Verfügung gestellt haben. Ganz ohne Marie geht aber gar nichts. Träger der Aktion sind die politische Akademie der SPÖ, das Renner-Institut und der Steinocher-Fond, der das historische Archiv der Salzburger SPÖ verwaltet. Unterstützung kommt auch vom Bund Sozialistischer Freiheitskämpfer, von der Arbeiterkammer, der SJ sowie der Stadt Salzburg. (Dass Bürgermeister Schaden beim letzten Bundesturnfest des ÖTB den Ehrenvorsitz übernommen hatte, passt da nicht ganz ins Bild).

Um seine erzieherische und aufklärende Wirkung entfalten zu können, muss der im Frühjahr erscheinende Folder, in dessen Mantel sich die acht Postkarten befinden, natürlich unter das Volk gebracht werden. Zum Nulltarif soll die Edition in verschiedenen Kulturstätten und Lokalen zur Verteilung kommen bzw. aufliegen. Zudem plant Brenner eine Aussendung an alle Salzburger Geschichtslehrer sowie eine Serie im Programm der Radiofabrik. Am 11. 5. 2002 veranstaltet das Renner-Institut eine Stadtführung zum Thema unter der Leitung des Historikers und kf-Autors Gert Kerschbaumer (Treffpunkt: 9.30 Uhr am Max-Reinhardt-Platz). Weiters ist eine Homepage in Arbeit.

Das beispielhafte, keineswegs vollständige Verzeichnis der belasteten Orte Salzburgs:

1. Schloss Kleßheim - das Gästehaus des Führers. Hier wurde die Ermordung der

ungarischen Juden beschlossen.

2. Die Jahnbüste im Mirabellgarten (mit der Inschrift: „Den Deutschen kann nur durch Deutsche geholfen werden“)

3. Die ÖTB-Jahnturnhalle

4. Heinrich Damisch-Straße: Damisch war seit 1932 NSDAP-Mitglied und Kampfschreiber wider die »Verjudung« in der Kultur.

5. Ehrengruft im Friedhof St. Peter für Josef Thorak. Thorak war „der Bildhauer des Führers“.

6. Richard-Wolfram-Forschungsstelle: Wolfram war Sonderführer der Waffen-SS und Leiter der »Lehr- und Forschungsstätte für germanisch-deutsche Volkskunde« des »SS-Ahnenerbes«.

7. Josef-Thorak-Straße

8. Kriegerdenkmal am Kommunalfriedhof