jänner-februar 2002

Monika Mokre

Am Anfang war das Wort

Staatssekretär Franz Morak und die Creative Industries

PolitikerIn müsste man sein. Da wirft man einfach einen Begriff in die Nation, dessen Bedeutung völlig unklar bleibt, dann lehnt man sich zurück und schaut zu, wie zahlreiche Menschen rätseln: Was wollte uns der Staatssekretär damit sagen?

Historische Archivrecherchen werden in einiger Zeit versuchen zu ermitteln, in welchem Zusammenhang Morak den Begriff »Creative Industries« das erste Mal in den Mund nahm. In journalistischer Schlamperei verlasse ich mich auf mein Gedächtnis und behaupte, dass dieses historische Ereignis im Zusammenhang mit dem »MuseumsQuartier« stattfand. Das »MuseumsQuartier« besteht bekanntlich im Wesentlichen aus zwei konventionellen Sammlungen österreichischer Kunst – doch brauchte es noch etwas Garnierung, um die gemeinsame Ansiedlung von zwei Museen an einem Ort als wesentlichen Beitrag zur internationalen Kunstszene zu verkaufen. Innovativ sollte diese Garnierung sein, doch worin diese Innovation bestehen sollte, blieb lange Zeit unklar - bis dann der damals noch relativ frisch gebackene Staatssekretär Morak mit dem Vorschlag aufhören ließ, Creative Industries im MQ anzusiedeln. Zwar wurde dadurch auch nicht klarer, worum es ging, doch man hatte doch erst einmal einen Namen. Eifrig begannen sich österreichische Kulturinteressierte umzuhören, was man unter diesem Begriff in fremden Ländern versteht. Dabei stellte sich heraus, dass Creative Industries in Großbritannien als Überbegriff für alles Kunstbezogene von Shakespeare bis Laura Ashley verwendet wird (was für die Fragestellung, was im MQ passieren sollte, kaum hilfreich erschien), dass die Europäische Kommission enorme Beschäftigungspotenziale für die Creative Industries errechnet hatte, ohne je wirklich genau zu sagen, wovon sie spricht, es aber Grund für die Annahme gibt, dass es ihr wesentlich um die Film- und Medienindustrie geht (für die die Räume in den ehemaligen Hofstallungen dann vielleicht doch nicht so sehr geeignet erscheinen), dass es im Norden Europas in diesem Zusammenhang wesentlich um Kooperationen zwischen jungen Kreativen und Unternehmen geht (was in Österreich am mangelnden Interesse beider scheitern dürfte). Textinterpretationen der seltenen, kurzen und kryptischen Aussagen des Staatssekretärs ließen es wahrscheinlich erscheinen, dass er unter Creative Industries Unternehmen wie Swarowski-Glas versteht und in unbegrenztem Vertrauen auf die Leistungsfähigkeit junger Kreativer davon ausgeht, dass diese Konzepte dieser Art in ausreichendem Maße entwickeln und umsetzen werden, um damit justament die leerstehenden Flächen des MQ zu füllen und seine fehlenden Inhalte nachzureichen.

In den letzten Wochen allerdings muss diese Interpretation angezweifelt werden: In einem Radiointerview aus Anlass einer Enquete der Grünen zu den Creative Industries erläuterte Morak, dass dieser Begriff durchaus auch die Erzeugung von Autoreifen einschließen könne. Und bei einer Veranstaltung der Wirtschaftskammer ergänzte Morak diesen Argumentationsstrang mit der sinnigen Beobachtung, dass jeder Unternehmer kreativ ist.

Hier nun wird klar, dass sich die genaue Analyse der Worte großer Männer lohnt, dass auch für kleine Geister der Moment der Offenbarung kommt, an dem klar wird, welches Ziel der Sprecher schon immer vor Augen hatte, zu dem er uns in kleinen Etappen geführt hat: Alles ist Creative Industries. – Alles? Nun ja, zumindest alles, was kein öffentliches Geld kostet. Denn das ist das eigentlich Geniale an Moraks Konzept: Das Kunstressort, nunmehr ausschließlich für Creative Industries zuständig, wird das größte politische Ressort überhaupt und erfüllt zugleich alle Sparpläne des Finanzministers aufs Genaueste, da es keinerlei Förderungen mehr vergibt. Dass dabei unliebsame Initiativen wie Public Netbase mangels Finanzierung sozusagen automatisch auf der Strecke bleiben, kann als angenehmer Nebeneffekt gewertet werden.

Am Anfang war das Wort und das Wort wurde Kulturpolitik und die Kulturpolitik entledigte sich der Kultur.