jänner-februar 2002

Norbert Mayr
titel

Stadtregion, Speck- und Schlafgürtel

In Siezenheim soll ein Erdwall mit Lärmschutzwand Kindergarten und Wohnhäuser vom angrenzenden, in den letzten Jahren scheibchenweise entstandenen Gewerbegebiet abschirmen.

Abgrundlos normal scheint das für den Raumordnungschef des Landes Fritz Mair zu sein. Er ist stolz darauf, dass er in seiner früheren Tätigkeit als Geschäftsführer der Baulandsicherungsgesellschaft »Land-Invest« Teile der ehemaligen Schwarzenbergkaserne zur banalen Ansammlung kontainerartiger Bauten ungleich rascher „entwickelte“ als etwa die Stadt die Struberkaserne in Maxglan.

Ob Umlandgemeinde oder Stadtteil, beide Kasernen sind Teil der funktionalen Kernstadt Salzburg. Deren letzter Wachstumsschub für Gewerbe und Shopping fand auf dem Territorium der Umlandgemeinden statt, dem sogenannten »Speckgürtel« im Westen und Norden. Dabei wiederholt sich jene Strukturlosigkeit und Unkoordiniertheit, die auch der Stadtentwicklung der Nachkriegsjahrzehnte, der heutigen »inneren Peripherie«, ihre Gestaltlosigkeit gab.

Diese keineswegs auf Salzburg beschränkte Entwicklung trifft eine Stadtregion, die von einer zum Teil mystifizierten, einzigartigen Symbiose von Kulturlandschaft und Gebautem lebt. Sie erfolgt(e) im Wesentlichen als Bebauung und Versiegelung von Freiflächen mit wenig anspruchsvoller Freiraum- und Architekturqualität unter Missachtung der Bedeutung der kulturlandschaftlichen Räume. In der Stadt führten die Protestbewegungen der siebziger Jahre – Stichwort: Prof. Hans Sedlmayrs Buch »Stadt ohne Landschaft« – in der Folge zu einer Neuorientierung in Verkehrsplanung und Stadtentwicklung mit den bekannten Schlagworten Grünlanddeklaration, Architekturreform und Gestaltungsbeirat.

Die Problematik der Zersiedelung der Landschaftsräume betrifft den »Speckgürtel« wie – weiter draußen in der Region – die »Häuser im Grünen« des »Schlafgürtels«. Die Stadt Salzburg muss diesem Problem viel aktiver eine attraktive Urbanität mit erschwinglichen Wohnungen entgegensetzen, um die geringe Rückwanderbewegung zu verstärken.

Ist die Stadt auch keineswegs frei von Defiziten und Unzulänglichkeiten – beispielsweise in der Rolle als Bauherr von Großprojekten – so sind Tendenzen wie beispielsweise die »Verdichtung nach Innen« sinnvoll und das architektonische Niveau erfreulich hoch. Nicht nur Letzteres fällt außerhalb der Stadtgrenzen im »Speckgürtel« rapid ab, wie ein Vergleich Europark (Stadtteil Taxham) und Airportenter in Wals-Siezenheim augenscheinlich zeigt. Hier werden auch die letzten Landschaftsreserven vor dem Barockschloss Klessheim einem Fußball-Stadion geopfert. Die Bürgermeister dieser sichelfömigen Entwicklungzone sind ihren Gemeinden verpflichtet, konkurrenzieren untereinander und mit der Kernstadt, deren funktionaler Teil sie gleichzeitig sind. Gewerbezonen und besonders Einkaufs- und Fachmarktzentren wachsen daher über das Maß des raumordnerisch und verkehrstechnisch Sinnvollen weit hinaus. Folge des neuen »Zentrums Speckgürtel« ist eine Ausdünnung der »inneren Peripherie« und der Stadtregion gleichermaßen.

Beispiel Möbelhandel: Nach den lokalen Traditionshäusern Schörghofer sowie Harmath und Weilinger in der Stadt sperrte im Dezember 2001 in Straßwalchen das Möbelhaus Schwaighofer zu. Statt die Stadtregion für den Wettbewerb der Regionen zu stärken, wird sie geschwächt und gerät in immer größere Abhängigkeit von internationalen Handelsketten, deren Verdrängungswettbewerb weitere Fachmarktruinen und schließlich Monopole entstehen lassen wird.

Angesichts der Autonomie der Bürgermeister und den leidigen Stadt-Land-Konflikten sind die hier nur skizzierten Abgründe tief. Die »Entwicklung« im Speckgürtel ist Symptom für das Fehlen einer geordneten Regionalplanung. Symptomatisch ist, dass das Regionalprogramm »Salzburg Stadt und Umgebungsgemeinden« grün angefärbelt wird und das Land gleichzeitig in den Entwurf ein Stadion anstelle einer Grüngürtel-Fläche hineinreklamiert.

Der Geograf Prof. Peter Weichhart sieht die Lösungen in einer „Europaregion Salzburg“. Das interkommunale Kooperationsmodell bezieht Teile Bayerns und Oberösterreichs mit ein. Da Eingemeindungen ein Tabu-Thema sind, soll die Bündelung der regionalen Kräfte durch freiwillige Selbstbindung und privatrechtliche Verträge entstehen. Bleibt abzuwarten, wie weit Salzburg im Ranking der Standorte noch zurückfallen muss, damit Politiker gemeinsame Schritte zur Überwindung der Abgründe setzen. Andererseits stellt sich die Frage, ob Salzburg als Einkaufsstadt nach dem Motto – „Besuche ich den Europark, besuche ich auch mal die Innenstadt“ – sinnvolle Zukunftsperspektiven hat. Die Möbelagglomeration in Eugendorf und die anderen Speckgürtel-Einkaufszentren werden in dieser Studie nämlich undifferenziert als »Multiplikatoren« für die Region betrachtet. Unkontrollierter Wettbewerb verstärkt aber sicherlich das Verschwinden kleinmaßstäblicher, gewachsener und lokal/regional verankerter Strukturen. Folgen der Problemverweigerung also vordergründige Patentlösungen? Nur wer die Abgründe, die fast alle Stadtregionen schütteln, nicht aus den Augen verliert, kann versuchen, den verzahnten Problemfeldern gerecht zu werden.